Goldfieber
Rationen bringen – das weiß ich genau.«
Morla kneift die Augen zusammen. »Das wisst Ihr genau?«, wiederholt er in einem Tonfall, in dem sich Erstaunen und Ärger die Waage halten. »Aber woher denn, in Gottes Namen?«
»Da hast du dir deine Frage schon selbst beantwortet«, erwidert Cortés und seine Miene wird feierlich. »Gott der Herr hat es mir verkündet – vor einigen Nächten im Traum.«
Er wendet sich um und geht zur Tür. Schlank, beinahe zierlich steht er da, an den notdürftigen Türrahmen gelehnt, und schaut nach draußen, wo sich knöcheltiefe Pfützen im Schlamm gebildet haben. Regenwasser tropft von Dächern und Bäumen, doch der Himmel ist schon wieder wolkenlos. Über der Stadt Potonchan auf der anderen Flussseite geht gerade eben die Sonne unter, ein glühend roter Ball.
»Ihr habt es geträumt?«, wiederholt Morla.
Dabei schaut er erst Sandoval, dann mich, schließlich sogar Diego hilfesuchend an. Doch wir alle starren so ausdruckslos zurück, als ob wir auch nur solche steinernen Baumskulpturen wären wie die da drüben auf dem unglaublich großen Platz.
Vor einigen Wochen hat mir Cortés erzählt, dass er noch in Sevilla dreimal hintereinander geträumt hat, wie er in der Neuen Welt zum König gekrönt würde. Vorher war er sich noch nicht ganz sicher gewesen, ob er wirklich nach Kuba reisen sollte. Aber nach diesen »prophetischen Träumen«, erklärte er mir, stand für ihn fest, dass Gott selbst ihn als Sein Werkzeug ausersehen habe.
»Ganz recht«, sagt er jetzt über die Schulter, ohne Morla oder irgendwen dabei anzusehen. »Zuerst habe ich Orteguillas vorzüglichen Bericht über die verborgensten Herzensgründe von Geronimo de Aguilar gelesen«, fährt er fort und mein Herz macht einen freudig erschrockenen Satz. »Anschließend habe ich geschlafen und im Traum ganz genau vor mir gesehen, was morgen früh da drüben auf dem Platz geschehen wird: Wir werden uns dort mit dreihundertfünfzig Mann versammeln, und eine Abordnung der Indianer wird uns ein schmales Dutzend Truthahnrationen bringen und beteuern, dass sie mehr nicht für uns haben.«
- 3 -
Während der Nacht brennen drüben in Potonchan Hunderte Fackeln und Feuer. Nicht anders als wir treffen auch die Indianer irgendwelche Vorbereitungen, und im Unterschied zu uns machen sie sich nicht die Mühe, ihre Betriebsamkeit zu verbergen. Ganz im Gegenteil – Stunde um Stunde schallen Trommelschläge und schrille Flötentriller zu uns herüber.
Vielleicht beschwören sie ihre Höllengötter, damit die ihnen morgen beistehen. Oder sie hoffen, uns mit dem teuflischen Gelärme zu zermürben, damit wir unverrichteter Dinge wieder abziehen, so wie Grijalva und seine Leute die Flucht ergriffen haben. Das Herz hämmert mir in der Brust, auch mein Pulsschlag ist erhöht. Aber als Diego wieder einmal eine abschätzige Bemerkung über die »einfältigen und feigen Wilden« macht, beeile ich mich, ihm zuzustimmen.
Nicht, dass ich wirklich seiner Meinung wäre. Doch in dieser unheimlichen Nacht wünsche ich mir mehr als alles andere, dass er recht behält. Dass die Indianer im Schutz der Nacht fliehen und wir morgen früh ihre Stadt verlassen vorfinden werden.
»Siehst du, Orte«, sagt Diego leise und zeigt zur anderen Flussseite. »Sie hauen ab!«
Tatsächlich entfernt sich dort drüben ein langer Zug schwankender Lichter nach Süden hin aus der Indianerstadt. Ich schaue ihm hinterher, bis das letzte Fackellicht vom Urwald verschluckt worden ist.
»Aber das Trommeln und Flöten«, wende ich ein, »es ist so laut wie vorher – und es kommt nach wie vor aus der Stadt!«
Bis zu den Knien stehen wir im Uferwasser des Rio Grijalva, einige Hundert Schritte flussabwärts vom Lager. Zusammen mit einem halben Dutzend von Sandovals Männern weisen wir die Boote ein, die seit Anbruch der Nacht eines nach dem anderen von unserem Stützpunkt an der Küste hier eintreffen. Flüsternd und mit pantomimischen Gebärden machen wir den Männern klar, wo sie die Boote festzurren sollen und wo der rasch angelegte Pfad verläuft, auf dem sie ihre Ausrüstung ins Lager transportieren können. Ihre Rüstungen und Schwerter, Arkebusen und Armbrüste. Auch drei Feldschlangen haben sie in den Booten hierhergeschafft, doch der Boden ist so weich, dass die Geschütze bis über die Achsen im sandigen Schlamm versinken.
Glücklicherweise ist unterdessen auch Pedro de Alvarado eingetroffen und wie immer weiß der »Durchtriebene« Rat. Er befiehlt, dreißig
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