Goldfieber
im Traum erblickt hat – »zu deinen Füßen aufgehäuft«? Und das Indianermädchen, meine geheimnisvolle Amazone, wird sie mir wirklich dabei helfen?
Aber ich will das nicht!, schreit es in mir. Wie oft habe ich die heilige Muttergottes angefleht: Lass uns kein Gold finden, zumindest noch nicht jetzt! Ich weiß doch, was das sonnengelbe Metall in den Herzen und Köpfen der Männer anrichtet, die vom Goldfieber befallen werden! Und jetzt soll ich selbst dieses Fieber entfachen?
Ich werfe mich auf meinem Lager hin und her. Wundarzt Jeminez beugt sich über mich. Er kühlt mir die Stirn und träufelt mir eine Flüssigkeit auf die Lippen. »Was ist denn, Junge?«, murmelt er. »Hast du Schmerzen?«
Ich schüttele den Kopf und knirsche mit den Zähnen. Niemand darf auch nur das Geringste von dem Durcheinander in meinem Innern erfahren!, beschwöre ich mich selbst. Von dem Mädchen oder gar von meinen heimlichen Gebeten, dass unsere Suche nach Gold vergeblich sein soll. Nur wenn wir hier in Potonchan keinen Goldschatz finden, wird Cortés uns weiterins Landesinnere führen – das hat er ja gerade eben zu mir gesagt!
Ich fühle mich vollkommen erschöpft, mein Kopf tut schrecklich weh. Und mein Herz will einfach nicht aufhören, wie tobsüchtig in meiner Brust zu hämmern.
Irgendwann schlafe ich trotzdem wieder ein. Als ich zu mir komme, dämmert vor der gigantischen Säulenwand der neue Morgen. Gleich wird der Herrscher von Potonchan erscheinen, geht es mir durch den Kopf – und bald danach werden wir aufbrechen und die Indianerstadt hinter uns lassen! Und solange ich hier fiebernd auf dem Krankenbett liege, kann auch niemand von mir verlangen, dass ich das Versteck aufspüre, in dem der Herrscher von Potonchan seinen Goldschatz verborgen hat. Also muss ich nur einfach hier in meinem Winkel bleiben und mich krank und schlafend stellen, bis draußen das Signal zum Aufbruch ertönt.
Das sage ich mir wieder und wieder vor, dabei weiß ich ganz genau, dass keine Silbe davon stimmt. Der Schlüssel zum Goldschatz ist in meiner Erinnerung, hat Cortés zu mir gesagt. Wenn ich mich erinnere, was in jenem Gang zwischen den beiden Häusern passiert ist, werde ich auch den Goldschatz finden. Und das Mädchen ist dieser Schlüssel, ich weiß es ja längst! Ich spüre es mit jeder Faser meines irrsinnig klopfenden Herzens: Sie hat mich gerettet, und sie wird mir zeigen, wo das Gold von Potonchan verborgen ist. Auch wenn sich in mir alles dagegen sträubt und auch wenn ich nicht im Mindesten begreife, wie das vor sich gehen soll.
Irgendwann später erschallt draußen auf dem Tempelplatz eine Fanfare. Alle Verletzten, die sich irgendwie voranschleppen können, rappeln sich von ihren Matten auf. Ich folge ihrem Beispiel und gehe gleichfalls zur Säulenwand hinüber. Unten auf dem Platz legen Jesus Mendoza und einige weitere Zimmerer gerade letzte Hand an ein gewaltiges Podest an. Es erhebt sich unmittelbarvor der größten und prächtigsten Pyramide, auf deren First die spanische Fahne neben einem gewaltig großen Holzkreuz weht. Auf einen Wink von Mendoza hin nähern sich einige Dutzend unserer kubanischen Sklaven und bestreuen das Podest mit frisch geschnittenen Palmzweigen.
Heute ist Palmsonntag, wird mir klar, der letzte Sonntag vor Ostern. Weitere Sklaven eilen herbei, Körbe voller Palmwedel auf dem Rücken. Von feierlich gekleideten Konquistadoren beaufsichtigt, streuen sie die Palmzweige quer über dem Tempelplatz in Richtung Norden aus, geradewegs auf den zerschossenen Torturm zu.
Ich beginne zu ahnen, was Cortés vorhat. Auch wenn ich keine prophetischen Kräfte besitze, weiß ich schon im Vorhinein, dass es ihm auch diesmal gelingen wird, die Indianer zu beeindrucken. Und dass ihre Begeisterung und Ergriffenheit wiederum nicht lange andauern wird – weil ihre Neugierde rasch entfacht ist, aber noch schneller wieder erlahmt.
Auf der Straße, die von Süden her, aus dem gebirgigen Hinterland, nach Potonchan führt, nähert sich währenddessen eine würdevolle Prozession dem Tempelplatz. Von hier oben aus, zwischen den Säulen über der Treppe, könnte man fast meinen, dass dieser feierliche Zug bereits zur heiligen Palmsonntagsmesse gehört. Dabei ist es die Delegation der Indianer, angeführt von einem Krieger, der von Kopf bis Fuß in schillerndes Gefieder gehüllt ist. Hinter ihm schreiten zwanzig weitere Indianer, mit kunstvollem Kopfschmuck aus Vogelfedern und in prächtige Umhänge gekleidet. Wahrscheinlich
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