Goldfieber
sich davor fürchtet, nach Tenochtitlan zu gehen. Wer sie ist und was sie über Montezuma weiß. Cortés sieht in ihr noch immer den Schlüssel zum Goldschatz, sage ich mir – nicht nur zum Gold von Potonchan, sondern zum Schatz aller Schätze, den Montezuma irgendwo in seinen Palästen hortet!
Cortés schaut mich an und lächelt sein stilles Lächeln, das nur seine Lippen kräuselt. »Der erste Schritt ist getan, Orteguilla«, sagt er. »Nun sieh zu, dass du ihr Geheimnis vollends ergründest!«
FÜNFTES KAPITEL
Die goldene Göttin
- 1 -
»Hört mich an, Commandante!«, sagt Francisco de Montejo in drohendem Tonfall. »Diese Männer haben mich zu ihrem Sprecher bestimmt. Wenn Ihr nicht hören wollt, was ich Euch zu sagen habe, müsst Ihr uns alle in Eisen legen.«
Er schwenkt seinen Arm im Halbkreis. Rund fünfzig Männer stehen eng zusammengedrängt hinter ihm, mit grimmigen und angespannten Gesichtern.
Cortés thront hinter den Goldtischen auf einem prächtig verzierten Sessel. Obwohl die Sonne schon hoch am Himmel steht, ist heute noch kein einziger Indianer aus den umliegenden Dörfern gekommen, um sein Gold gegen unseren Klimperkram einzutauschen. Nach dem Zusammenstoß zwischen Cortés und dem Tributeintreiber Teudile gestern Abend wird sich wohl auch kein Totonake mehr in unser Lager wagen.
»Ich habe immer ein offenes Ohr für die Sorgen meiner Leute.« Unser Herr verschränkt die Arme vor der Brust und nickt Montejo zu. »Also lass hören, Francisco!«
Von allen Seiten kommen nun weitere Konquistadoren herbei – vom Strand, von den Hütten und vom Wald her, wo sie auf der Jagd nach Wildbret waren. Die Stimmung in unserem Lager ist gedrückt. Da Teudile uns sämtliche Diener weggenommen hat, müssen wir uns auch wieder selbst um die Beschaffung von Nahrungsmittelnkümmern. Außerdem steckt die grässliche Spuknacht wohl jedem von uns noch in den Knochen. Mir selbst vielleicht sogar mehr als allen anderen – immer wieder muss ich an Carlita denken, daran, wie sie das teuflische Zauberding freigescharrt hat. Heute habe ich sie noch nicht zu sehen bekommen. Diego musste sie und Malinali in aller Frühe zur Santa Maria hinüberbringen, wo Fray Bartolomé die beiden auf ihre Taufe vorbereiten soll – »in klösterlicher Abgeschiedenheit«, wie Cortés vorhin zu mir gesagt hat.
Montejo berät sich murmelnd mit seinem Verbündeten Francisco Morla. »Unsere Mission ist beendet, Commandante Cortés!«, verkündet er schließlich und seine Stimme klingt unsicher. »Eure Instruktionen verbieten Euch und uns allen, Krieg gegen die Indianer zu führen. Dazu würde es aber unweigerlich kommen, wenn wir gegen ihren Willen noch länger hier bleiben wollten. Freiwillig werden sie uns nicht einmal mehr die nötigsten Nahrungsmittel überlassen. Also ermannt Euch, Commandante, und gebt den Befehl zur Rückkehr nach Kuba! Oder wollt Ihr, dass wir alle wegen Hochverrats am Galgen enden?«
Cortés mustert sein Gegenüber mit ausdrucksloser Miene. Ich spüre, dass ihn dieser Auftritt der Velazquez-Getreuen aus irgendeinem Grund erheitert. »Du hast recht, Francisco«, sagt er. »Was Montezuma mir gestern durch seinen Tributeintreiber ausrichten ließ, verändert alles.« Er spricht in beiläufigem, fast gelangweiltem Tonfall, so als würde er mitteilen, dass wir heute Hasen- statt Perlhuhnbraten zu essen bekämen. »Unter diesen Umständen«, fährt er dann aber fort, »können wir unsere Expedition nicht länger fortsetzen.«
Alle starren ihn an. Die eben noch grimmigen Gesichter der Velazquez-Getreuen beginnen, in ungläubiger Freude zu erstrahlen. Zugleich verdüstern sich die Gesichter aller anderen Männer in sämtliche Schattierungen der Verwirrung und des Zorns.
»Was soll das bedeuten?«, schreien sie durcheinander. »Abhauen, nur weil Häuptling Truthahnfeder das plötzlich so will?Kommt nicht infrage!«, rufen sie aus. »Wenn wir hier bleiben, werden wir alle reich! Hier gibt es fruchtbares Land für jeden von uns – und mehr als genug Gold!«, schreien sie. »Commandante, gebt es zu, Ihr habt Euch einen Scherz erlaubt!«
Auch Sandoval, Alvarado und Portocarrero werfen einander erstaunte Blicke zu und schütteln die Köpfe. Der »Durchtriebene« spielt seine Rolle so gut, dass ich beinahe darauf hereingefallen wäre. Portocarreros Flüche hören sich sowieso immer gleich an, egal ob er gerade zufrieden, wütend oder durcheinander ist. Doch Sandovals Gesicht verrät mir, dass sie die ganze Szene vorher
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