Goldfieber
bleicher Gesandter eines gewiss ebenso fahlhäutigen Gottes! Unser Dreibund – mit Euch, Herr, Euren vierbeinigen Rittern und todbringenden Donnerrohren an der Spitze – wäre stark genug, um selbst das Millionenheer der Azteken in die Flucht zu schlagen.«
König Pazinque richtet sich zu halbwegs sitzender Haltung auf. Obwohl mittlerweile zwei Sklaven damit beschäftigt sind, ihm Kühlung zuzufächeln, perlt ihm der Schweiß in großen Tropfen über die Wangen und die vier übereinandergelagerten Wülste unter seinem Kinn. Doch so lächerlich der fette Totonaken-Herrscher auch aussehen mag, sein Plan scheint wohldurchdacht zu sein.
»Geht nach Tlaxcala, bärtiger Herr!«, so beschließt er seine Rede. »Und macht die Tlaxcalteken zu Euren und meinen Verbündeten – dann wird der Thron von Tenochtitlan bald schon Euch gehören.«
Cortés und Alvarado tauschen Blicke. »Der Thron und das Gold«, murmelt der »Durchtriebene«.
Unser Herr hebt seinen Becher mit flüssiger Schokolade, die mit rotem Pfeffer gewürzt ist. »Ich danke Euch von Herzen, König Pazinque«, sagt er, »für Eure Gastfreundschaft, Euer Vertrauen und Eure offenen Worte. Ihr habt vollkommen recht: Mein König Karl hat mich über das weite Meer hierhergesandt, damit ich die Völker dieses Landes vom zweifachen Joch der Tyrannenund Teufelsherrschaft befreie. Ich werde über Euren Vorschlag sorgsam nachdenken, doch nun gestattet, dass wir uns in unsere Schlafgemächer zurückziehen.«
Er erhebt sich unvermittelt, und so bleibt auch allen anderen nichts übrig, als sich gleichfalls aufzurappeln. Nur Pazinque verharrtinmitten unzähliger Polster, Felle und Matten mehr liegend als sitzend – doch er ist schließlich der König.
»Montezumas Tributeintreiber habt Ihr doch in jenem Käfig eingesperrt, wie wir es besprochen hatten?«, erkundigt sich Cortés noch.
Der Totonaken-Herrscher nickt. »Ihr werdet bald herausfinden, Herr, dass es auf der ganzen Welt keinen treueren Verbündeten als König Pazinque gibt. Was ich einmal versprochen habe, das halte ich auch – und wenn Montezuma persönlich mir deshalb das Herz herauszureißen droht!«
Er macht seinen Trägern ein herrisches Zeichen und sie umfassen die acht Tragegriffe seiner Sänfte und heben ihn mitsamt seinem Gehäuse in die Höhe. »Ich wünsche Euch köstliche Traumvisionen, Herr«, sagt er, während ihn die schnaufenden Träger an Cortés vorbei zum Palasttor schleppen. »Habe ich schon erwähnt, dass der Thronsaal in Tenochtitlan fast vollständig vergoldet ist? Wände und Decken und natürlich der Thron selbst. Ich war nur ein einziges Mal dort, bei der feierlichen Inthronisierung des jetzigen Montezuma. Aber ich werde den Anblick niemals vergessen!«
Der Totonaken-Herrscher bringt noch das Kunststück fertig, im Liegen eine Verbeugung anzudeuten und gleichzeitig bewundernd die Augen zu verdrehen – dann ist er mitsamt Sänfte und Trägern davongeschwankt, und sein zahlreiches Gefolge schlurft und trappelt hinter ihm her.
Alvarado klopft dem »Dröhnenden« auf die Schulter. »Jetzt fang nur nicht wieder an, auf die teuflischen Wilden zu schimpfen, Alonso!«, sagt er in scherzhaftem Ton. »Dieser fette Indianerkönig ist ungemein listig und verschlagen – in Spanien hätte er es glatt zum Bischof bringen können!«
Portocarreros ziegelrotes Gesicht läuft blauviolett an. »Und trotzdem ist es nur ein stinkender Oberwilder!«, wütet er. »Was willst du, du Haufen Teufelsdreck?«, fährt er einen jungen Diener an, der sich vor Cortés tief verneigt.
Der Diener murmelt etwas auf Nahuatl, ohne seine unterwürfige Haltung aufzugeben.
»Er fragt, ob er für die edlen Herren ein Bad und die Schwitzkammer vorbereiten soll«, übersetzt Marina.
»Ein Bad?«, schreit Portocarrero. »Und noch mehr schwitzen sollen wir? Verschwinde, du Küchenschabe, sonst ersäufe ich dich in meinem Schweiß!«
Der junge Diener schaut Portocarrero entgeistert an.
»Beruhige dich, Alonso!«, sagt Sandoval. »Ich jedenfalls nehme das Angebot gerne an – sag ihm das, Marina!«
Cortés’ Lippen kräuseln sich zu jenem Lächeln, das nur einen Augenblick später wieder erlischt. »Schick ihn weg«, befiehlt er Marina. »Und alle anderen Diener auch. Bei dem, was wir jetzt vorhaben, können wir keine Augenzeugen gebrauchen.«
- 3 -
Die Wohn- und Schlafgemächer für »königliche Gäste« befinden sich im hinteren Teil des Palasts. Cortés hat für sich selbst, seine Vertrauten, Dolmetscher und
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