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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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für ein gültiges eigenhändiges Testament, glaubte aber, daß es ihnen genügte. Die Handschrift müßte natürlich überprüft werden, aber das konnte Peter Antle tun, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Ich wußte, daß Guy am späten Montag nachmittag einen verstörenden Brief bekommen hatte, und was immer darin stand, mußte ausgereicht haben, ihn so zu beunruhigen, daß er seine Wünsche deutlich machen wollte. Ich stand auf und verließ das Büro, wobei ich seinen Brief mit in den Kopierraum nahm. Ich machte ein Duplikat davon und verschloß das Original zusammen mit den anderen in meiner untersten Schublade. Die Kopie schob ich ins Außenfach meiner Handtasche.
    Ich versuchte, mir Guy vorzustellen, doch sein Gesicht war vor meinem geistigen Auge bereits verblaßt. Was geblieben war, war seine Freundlichkeit, der Klang seines »Hey« und das Streicheln seiner Barthaare, als er mit den Lippen meine Wangen berührt hatte. Ich weiß nicht, ob wir eine sehr intensive Beziehung zueinander eingegangen wären, wenn er am Leben geblieben wäre. Kinsey Millhone und ein Wiedergeborener war vermutlich keine Kombination, die viel Zukunft gehabt hätte. Aber wir hätten Freunde sein können. Wir hätten einmal im Jahr nach Disneyland fahren und uns amüsieren können.
    Ich wandte mich wieder meinen Karteikarten zu und fing an, mir Notizen zu machen. Jede Ermittlung hat ihren eigenen Charakter, aber es gibt gewisse Gemeinsamkeiten wie zum Beispiel das mühevolle Ansammeln von Informationen und die dazu erforderliche Geduld. Auf folgendes hofft man: eine beiläufige Bemerkung des früheren Nachbarn bei der Suche nach einem Vermißten, eine gekritzelte Bemerkung am Rand eines Dokuments, einen geschiedenen Ehepartner voller Groll, eine Kontonummer, einen am Tatort übersehenen Gegenstand. Auf folgendes muß man sich gefaßt machen: Sackgassen, bürokratische Sturheit, falsche Fährten, Spuren, die nirgendwohin führen oder sich einfach in Luft auflösen, Leugnen, Ausflüchte und die ausdruckslosen Blicke all der feindlich gesinnten Zeugen. Und auf folgendes kann man sich verlassen: daß man es zuvor schon mal geschafft hat und die Härte und Entschlossenheit besitzt, es wieder zu schaffen.
    Ich sah auf meinen Schreibtisch herab, wobei mir das Etikett auf dem Aktendeckel ins Auge fiel. Es war säuberlich getippt: Guy Malek, Ausschnitte aus dem Dispatch. Die beiden Briefe von Outhwaite lagen auf gleicher Höhe mit dem Etikett, wodurch ich zum ersten Mal bemerkte, daß das kleine a und das kleine i auf allen drei Schriftstücken schadhaft war. Stimmte das? Ich sah genauer hin, nahm noch einmal mein Vergrößerungsglas zu Hand und studierte die betreffenden Buchstaben. Man brauchte einen Fachmann für Schriftstücke, um es zu beweisen, aber mir kam es so vor, als wären die Briefe auf derselben Maschine geschrieben worden wie das Etikett.
    Ich griff nach dem Telefon und rief die Maleks an. In der winzigen Zeitspanne zwischen dem Wählen und dem Moment, in dem es zu klingeln begann, durchkämmte ich angestrengt meine Phantasie, um mir einen Grund für diesen Anruf einfallen zu lassen. Mist, Mist, Mist. Christie nahm am anderen Ende den Hörer ab und begrüßte mich kühl, nachdem ich mich gemeldet hatte. Ich nahm an, daß sie mit Paul Trasatti gesprochen hatte, wagte aber nicht, danach zu fragen.
    Ich sagte: »Ich bin auf der Suche nach Bennet. Ist er vielleicht zufällig zu Hause? Ich bin am Restaurant vorbeigefahren, aber dort war er nicht.«
    »Er müßte gleich kommen. Ich glaube, er hat gesagt, er wolle zum Mittagessen kommen. Soll er Sie zurückrufen?«
    »Ich weiß nicht, ob er mich erreichen kann. Ich bin jetzt zwar im Büro, muß aber noch ein paar Dinge erledigen. Ich rufe später wieder an.«
    »Ich werde es ausrichten«, sagte sie, und es klang wie eine Verabschiedung.
    Ich mußte mit irgend etwas Neuem anfangen, um das Gespräch am Laufen zu halten. »Ich habe heute morgen mit Paul gesprochen. Er ist schon ein seltsamer Vogel. Nimmt er immer noch Medikamente?«
    Ich merkte ihr an, wie sie sich zu konzentrieren versuchte. »Paul nimmt Medikamente? Wer hat Ihnen denn das erzählt? Davon habe ich noch nie gehört«, sagte sie.
    Ich ließ einen Moment verstreichen. »Ähh, tut mir leid. Ich wollte nichts ausplaudern, was mir jemand anvertraut hat. Ich dachte nur, Sie wüßten es.«
    »Warum kommen Sie überhaupt darauf zu sprechen? Gibt es ein Problem?«
    »Tja, nichts Größeres. Er ist nur so komisch wegen Jack. Er hat

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