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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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putzen.«
    Nach dem Frühstück gingen wir an den Strand. Es war ein wolkiger Tag, aber der Sand bewahrte die Wärme wie eine Schaumstoffisolierung. Die Temperatur lag bei gut zwanzig Grad, und die Luft war weich und würzig und barg einen tropischen Duft. Die Winter in Santa Teresa sind wechselhaft, eiskalt an einem Tag und mild am nächsten. Das Meer besaß einen glänzenden Schimmer und reflektierte das gleichförmige Weiß des Himmels. Wir zogen die Schuhe aus und trugen sie in der Hand, während wir am Ufer entlangschlenderten und uns das schaumige Spiel der Wellen über die bloßen Füße schwappte. Möwen schwebten kreischend über uns, während zwei Hunde im Gleichtakt nebeneinander her tollten und nach den Vögeln schnappten, als wären sie tieffliegende Frisbee-Scheiben.
    Dietz fuhr um neun Uhr ab und hielt mich dicht an sich gepreßt, bevor er ins Auto stieg. Ich lehnte mich gegen die Motorhaube, und wir küßten uns eine Weile. Schließlich machte er sich los und musterte mein Gesicht. »Wenn ich in zwei Wochen wiederkomme, bist du dann noch da?«
    »Wo sollte ich schon hingehen?«
    »Dann bis dann«, sagte er.
    »Zerbrich dir meinetwegen nicht den Kopf. Mir ist jeder Tag recht«, sagte ich und winkte, während sein Wagen allmählich kleiner wurde. Dietz haßte es, feste Termine auszumachen, weil er dann das Gefühl hatte, in der Falle zu sitzen. Freilich wirkte sich sein Lavieren auf mich so aus, daß ich an der Angel hing. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und ging zu meiner Wohnung zurück. Wie war ich bloß bei so einem Mann gelandet?
    Den Rest des Vormittags verbrachte ich damit, meine Wohnung aufzuräumen. Eigentlich war nicht viel zu tun, aber es war trotzdem befriedigend. Diesmal war ich nicht einmal ernsthaft deprimiert. Ich wußte, daß Dietz zurückkommen würde, und so hatte meine tugendhafte Mühe mehr damit zu tun, meine Grenzen wieder zu errichten, als die Trübsal abzuwehren. Da er Lebensmittel eingekauft hatte, war mein Vorratsschrank voll und mein Kühlschrank gut bestückt, ein Zustand, der bei mir stets ein Gefühl von Sicherheit hervorruft. Wie schief kann es im Leben schon gehen, solange man genug Klopapier hat?
    Um die Mittagszeit sah ich Henry im Garten an einem kleinen, runden Picknicktisch sitzen, den er vorigen Herbst auf einem Privat-Flohmarkt ergattert hatte. Er hatte mehrere Bogen Millimeterpapier, seine Nachschlagewerke und ein Kreuzworträtsellexikon vor sich ausgebreitet. Zum Zeitvertreib konstruiert und verkauft Henry Kreuzworträtsel für diese kleinen gelben Heftchen, die vor Supermarktkassen feilgeboten werden. Ich machte mir ein Erdnußbutter-Gewürzgurken-Sandwich und gesellte mich zu ihm in die warme Sonne.
    »Möchtest du ein Stück?« fragte ich und hielt ihm meinen Teller hin.
    »Danke, aber ich habe gerade zu Abend gegessen«, sagte er. »Wohin ist denn Dietz verschwunden? Ich dachte, er wollte noch bleiben.«
    Ich brachte ihn auf den neuesten Stand der »Liebesgeschichte«, und wir plauderten ein Weilchen, während ich mein Sandwich verspeiste. Die Konsistenz der Erdnußbutter bildete einen dramatischen Gegensatz zur Knackigkeit der Gewürzgurken. Der diagonale Schnitt brachte mehr Füllung zum Vorschein als ein vertikaler, und ich genoß das Verhältnis zwischen salzig und sauer. Diese Köstlichkeit rangierte gemeinsam mit Sex ganz oben, ohne daß man sich dabei ausziehen mußte. Ich stieß eine Art tiefes Stöhnen aus und geriet vor Genuß fast in Verzückung, woraufhin mir Henry einen auffordernden Blick zuwarf. »Laß mich mal beißen.«
    Ich hielt ihm das üppige Mittelstück hin, plazierte aber meine Finger so, daß er nicht zuviel abbeißen konnte.
    Er kaute einen Augenblick lang und ließ sich die intensive Geschmacksmischung eindeutig schmecken. »Sehr seltsam, aber nicht schlecht.« Das sagt er immer, wenn er dieses kulinarische Wunder probiert.
    Ich biß selbst noch einmal ab und deutete auf das Rätsel, an dem er gerade arbeitete. »Wie geht’s voran? Du hast mir nie richtig erklärt, wie du es anstellst.« Henry war ein Kreuzworträtselfanatiker, der die New York Times abonniert hatte, damit er jeden Tag das Rätsel lösen konnte. Manchmal ließ er zum Spaß jedes zweite Kästchen frei oder füllte zuerst die Ränder aus, um dann spiralförmig nach innen vorzudringen. Die Kreuzworträtsel, die er selbst verfaßte, kamen mir sehr schwierig vor, obwohl er behauptete, daß sie leicht seien. Ich hatte ihm zugesehen, wie er Dutzende davon

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