Goldhand (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Schwert ist zu lang für deinen ungelenken Arm. Nimm ein kürzeres, dann bleibt dir genug Kraft, es anständig zu führen.“
Rikat furchte die Stirn, dann lächelte er. „Ja, das könnte gehen.“
Der Januar kam und verging. Hockster und Rikat bekamen jetzt häufiger Besuch von den Dieben aus Räubermarkt, meist in der Abenddämmerung, wenn sie den Weg ins Dorf nicht mehr schafften und erst am anderen Morgen frisch und ausgeruht das letzte Stück der Strecke zurücklegen wollten. Hockster behandelte alle gleich freundlich, bot ihnen Speisen und ein Lager für die Nacht. Solange Rikat bei ihm lebte, machte es ihm auch nicht viel aus, gastfreundlich zu sein. Die Diebe und Verbrecher aus Räubermarkt benahmen sich anständig und waren froh, bei ihm ein Bett für die Nacht zu bekommen. Allerdings fragte Hockster sich, wie der eine oder andere Bandit sich wohl gebärden mochte, wenn Rikat wieder in Räubermarkt weilte und er allein hier draußen lebte.
In der ersten Woche des Februars, als der Schnee langsam zu tauen begann, machte Rikat sich auf den Rückweg nach Räubermarkt. Hockster fühlte sich einsam und erleichtert zugleich. Seit er erfahren hatte, dass Rikat im Frühjahr wieder Beutezüge entlang der Küste unternehmen wollte, hatte sich das Verhältnis der beiden Männer zueinander verändert. Hockster verhielt sich vorsichtig und distanziert. Rikat hatte es wohl bemerkt, aber nichts dazu gesagt. Als Rikat an diesem Morgen sein Pferd gesattelt hatte, war er noch einmal zu Hockster gekommen. „Du sollst nicht denken, ich wäre ein guter Mensch – das bin ich nie gewesen. Ich bin all das, was du schon immer von mir gedacht hast: ein Dieb und ein Mörder.“ Dann war er aufgestiegen und fort geritten. Hockster hatte ihm lange hinterhergeschaut.
Als er wieder allein war, fragte er sich, wann er den Mut aufbringen würde, nach Trenadil zu gehen und den drei fremden Gestalten sein Scheitern einzugestehen. Schon den ganzen langen Winter über hatte er es immer wieder vor sich hergeschoben. Nun kam bald der Frühling, er lebte schon eine geraume Weile im Schatten der Felsen, hatte aber nie den Mut aufgebracht, sich den drei Weisen zu stellen.
Er öffnete seinen Schmucksteinbeutel und sah hinein. Obenauf lag die Metallscheibe, die Madigan – Hockster wusste noch immer nicht, wann – hineingeschmuggelt hatte. Er verschnürte den Beutel wieder, ging ins Haus und kam wenig später, angetan mit einem warmen Mantel und seinem Hut, wieder heraus. Er stapfte davon, hinein in den Wald. Hier irgendwo musste Karl, der Begleiter Madigans, stecken, aber so sehr er auch suchte, er fand ihn nirgendwo. Schließlich gab Hockster die Suche auf und kehrte niedergeschlagen zurück.
Zu Hause angekommen marschierte er in den Stall und begrüßte Lilli, die schon auf ihre Tagesration Hafer wartete. Als er den Stall verließ, hörte er in der Ferne das dumpfe Geräusch schlagender Hufe und dazu das Knarren und Ächzen von Planwagen. Er blieb stehen und sah nach Süden. Bald darauf erschien ein Pferd, dann ein zweites. Ein hochrädriger Karren, vollgeladen, rollte langsam hinterdrein. Ein weiterer Wagen folgte. Dann ein dritter. So ging es immer weiter, bis Hockster sechs Wagen und elf Reiter gezählt hatte. Mittlerweile hatte der Anführer der Gruppe den Platz vor Hocksters Haus erreicht und brachte sein Pferd zum Stillstand.
„Ich grüße dich!“, sagte der Fremde. „Mein Name ist Millen Hoog, Anführer einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen aus der Hafenstadt Zillet. Gewähre uns deine Gastfreundschaft, für eine kurze Rast und Wasser für die Tiere.“
Hockster stellte sich vor und hieß die Fremden willkommen.
„Was führt euch den weiten Weg von Zillet bis hierher?“, fragte Hockster.
„Chetekken! Sie haben Zillet überrannt, haben in nur einem Tag die Mauern überwunden. Nachdem die Verteidigung zusammengebrochen war, rafften wir zusammen, was wir tragen konnten, und haben unsere Heimat verlassen.“ Millen Hoog schüttelte sich bei der Erinnerung daran. „Zillet existiert nicht mehr. Nur etwa dreihundert Bürger der Stadt sind entkommen. Kannst du dir das vorstellen? Dreihundert von einst viertausend. Der größte Teil dieser Menschen ist irgendwo dort draußen auf dem Weg nach Norden. Wir wurden vor einigen Tagen bei einer Flussüberquerung getrennt. Na, ja, jetzt sind wir hier.“ Er sah sich um. „Du lebst allein?“
„Ja. Hin und wieder bekomme ich Besuch, aber ich lebe wohl allein. Was ist dein Beruf,
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