Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
und so.«
»Das haben Sie genau richtig gemacht.« Er holte ein Plastiktütchen aus der Gesäßtasche seiner Jeans und schnippte mit einem Lineal den Füllfederhalter hinein. »Vielleicht haben wir ja Glück und finden einen Fingerabdruck oder ein bisschen DNA auf dem guten Stück.«
Krolls Blick war gerade auf Anjas Pferdeschwanz fokussiert, der wieder lustig auf und ab wippte. Er hatte bislang nicht gewusst, wie anregend Pferdeschwänze sein konnten.
»Schön, dass Sie das sagen. Ich hatte schon Sorge, ich mach hier wegen einer Belanglosigkeit die Polizei verrückt. Schließlich ist es ja nur ein alter Füller.«
Kroll verstaute das Beweisstück in seiner Jackentasche und lehnte sich an die Fensterbank. »Wir nehmen die Sache hier sehr ernst. Bei uns ist nicht alles eine Belanglosigkeit, nur weil es nichts mit Mord und Totschlag zu tun hat. Wir haben es hier mit durchaus schwerwiegenden Verbrechen zu tun. Denken Sie doch nur an die Salmonellenvergiftung. Das ist eine schwere Straftat, weil es so viele Menschen betroffen hat. Alles andere als eine Kleinigkeit.«
Anja Gans wurde nachdenklich. »Das finde ich auch. Das war wirklich eine große Schweinerei. Lassen Sie doch mal so eine Vergiftung auf einen angeschlagenen Thomasser treffen. Wer weiß, wie das dann ausgeht.«
»Haben Sie eine Ahnung, wie der Füller in Ihr Büro gekommen ist?«
Anja zuckte mit den Schultern. »Als ich heute Morgen ins Büro kam, lag er definitiv nicht auf meinem Schreibtisch. Da bin ich mir ganz sicher. Bis circa elf Uhr habe ich das Büro nicht verlassen. Dann hatten wir eine Dienstberatung, die ungefähr eine Stunde gedauert hat. Als ich wiederkam, lag das Ding auf meinem Schreibtisch.«
»Sie schließen Ihr Büro nicht ab?«
»Eigentlich nie«, antwortete die Assistentin.
Kroll drehte sich um und sah aus dem Fenster. »Schöner Fußballplatz«, stellte er fest.
»Der ist hier das Wichtigste nach den Noten. Oben in der Turnhalle haben wir sogar noch einen für den Winter. Alle Thomasser spielen gern Fußball. Und das richtig gut! Der TC 1212 ist eine fußballerische Legende. Wenn wir den Kreuzchor aus Dresden besiegen, gibt der Kantor mindestens eine Woche frei.«
Krolls Blick fiel auf den Bereich des Hofes, der in der verlängerten Einfahrt vor dem Fußballplatz lag. Vor dem Lattenzaun, der die Grenze zum westlichen Grundstück bildete, erkannte er zwei Jungs. »Könnten Sie bitte mal herkommen?«
Anja Gans stellte sich neben den Kommissar. Er konnte ihr angenehmes, dezentes Parfüm riechen und musste gleich an Wiggins letzte Bemerkung im Präsidium denken. »Sehen Sie die beiden Jungs da? Den einen kenne ich. Den habe ich vorgestern hier getroffen. Ein großer Champion in Computerspielen. Der heißt doch Paul Holzhund? Ein Name, der leicht zu merken ist.«
»Ganz richtig. Und der andere ist Georg Schießer. Sehr nette Jungs. Bis auf einige pubertäre Ausfälle sind sie wirklich die reinsten Engel.«
Paul und Georg standen vor dem Holzzaun zum Nachbargrundstück. Der Zaun war normalerweise mit dichtem Wein überwuchert, der sich in vielen Jahrzehnten an den Latten ausbreiten und vermehren durfte. Jetzt bot sich ihnen aber ein anderes Bild. Das Grün war aus den Blättern gewichen. Farblos und traurig hingen sie an den schmalen Ästen herab. Die wuchtige Erscheinung der Kletterpflanze war verschwunden. Dort, wo man sonst nur die Blätter in ihren verschiedenen Schattierungen sah, schimmerte das abgenutzte Braun des Zaunes wie die Planken eines gestrandeten Schiffes hervor.
»Jetzt bin ich endgültig überzeugt, dass wir auf der richtigen Spur sind«, flüsterte Paul.
Georgs Stimme war monoton. »›Der Weinberg des Herrn müssevertrocknen.‹ Das ist doch eindeutig.«
»Ich glaube, es wäre besser, wenn wir jetzt der Polizei Bescheid sagen«, schlug Paul vor.
»Nur weil jemand den wilden Wein hier mit Unkrautvernichtungsmitteln oder so etwas verdorben hat? Die lachen uns doch aus wegen der paar Rosinen.«
Paul sah sich um. »Achtung! Da kommt dieser Kommissar mit der Schnattergans.«
»Na, Jungs, alles klar bei euch?«, begrüßte sie der Kommissar.
Anja Gans sah erschrocken auf den Wein. »Oh, mein Gott! Was ist denn hier passiert?«
Georg zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wir sind hier vorbeigegangen, weil wir gucken wollten, ob jemand Fußball spielt. Da haben wir das hier gesehen.«
Anja Gans war richtig traurig. »Oh Mann, der schöne Wein. Wer macht denn so was?«
»So etwas macht der gleiche
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