Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
hatte.
»Eigentlich ist es doch ganz einfach. Wer hat Maria die Geburt Jesu verkündet?«
»Der Erzengel Gabriel. Aber ist das jetzt ein Ratespiel?«
»Maria gilt auf Grund der jungfräulichen Geburt schon immer als Inbegriff der Reinheit. Der Erzengel Gabriel wird auf fast allen Bildnissen der Verkündigung mit einer Lilie in der Hand dargestellt. Und deshalb gilt jetzt auch die Lilie als Symbol der Reinheit. So einfach ist das manchmal.«
»Die Reinheit ist zerbrochen. Mensch, Paul. Wir sind auf der richtigen Spur.«
»Da hast du total recht. Und genau deshalb werden wir jetzt Kommissar Kroll alles erzählen, bevor noch zwei Jungs mit gebrochenem Genick in der Kirche herumliegen.«
»Da kommen die Herren Polizisten schon«, sagte Georg frustriert.
»Na, ihr beiden«, begrüßte Kroll sie freundlich. »Ist ja schön, dass wir uns mal wiedersehen!«
»Haben Sie schon neue Erkenntnisse?«, wollte Georg wissen.
»Oh ja, sehr viele«, berichtete Kroll. »Ich könnte inzwischen ein Wettbüro aufmachen. Wette Nummer eins: Wenn ich eure Handys untersuchen lasse, finde ich heraus, dass einer von euch heute Morgen mit Pfarrer Brecht telefoniert hat. Wette Nummer zwei: Wenn ich den Umschlag auf dem Altar untersuchen lasse, finde ich Fingerabdrücke oder Spuren von euch. Wette Nummer drei: Wenn ich alle Lilien untersuchen lasse, finde ich Schweißpartikel von euch. Wollt ihr noch mehr Wetten hören, zum Beispiel über Dr. Fleischer, oder reicht euch das?«
»Das reicht«, bestätigte Paul reumütig. »Wir wären ohnehin jetzt zu Ihnen gekommen. Wir mussten nur sicher sein, dass an der Sache etwas dran ist. Wir hatten keine Lust, uns lächerlich zu machen.«
»Aber jetzt seid ihr euch sicher?«, fragte Wiggins.
»Absolut! Es gibt keine Zweifel mehr. Sie haben doch den Zettel in der Kirche auch gefunden, oder?«, erkundigte sich Georg.
»Ja, dann schießt mal los«, ermunterte sie Kroll.
»Das ist nicht so einfach«, wandte Georg ein. »Sie müssen erst die Geschichte vom Ritter Harras lesen. Das Buch liegt in meinem Zimmer. Wir treffen uns in einer halben Stunde dort. Okay?«
Kroll und Wiggins sahen sich kurz fragend an, stimmten dann aber zu.
Sie saßen zu viert in Georgs Zimmer. Georg gab den Polizisten kommentarlos das alte Buch mit der Geschichte vom Ritter Harras. »Hier, lesen Sie.«
Georg schaute verstohlen zu Paul. Kroll hielt das Buch so, dass Wiggins mitlesen konnte. Nach einer Weile sahen sich die Polizisten wieder an. In ihren Blicken konnten die Jungen eine gewisse Anerkennung lesen.
»Fangen wir mal von vorn an«, schlug Kroll vor. »Die Lobpreisung Gottes ist wohl Bach.«
Paul war kleinlaut. Er wusste nicht, ob die Kommissare sie ernst nahmen. »Er ist der größte Komponist für geistliche Musik, den es je gab.«
»Und die Stimmen der Engel sind die Thomaner?«, fuhr Kroll fort. Die Freunde nickten.
»Gut«, ergänzte Wiggins. »Das mit dem Weinberg dürfte auch offensichtlich sein. Das war die Aktion in euerm Hof.«
Paul und Georg nickten wieder.
»Und was haben die Blumen in der Kirche mit Reinheit zu tun?«, fragte Kroll.
Paul erzählte ihm die Geschichte, die er kurz zuvor von seinem Onkel gehört hatte.
Kroll nickte anerkennend. »Verdammt gute Arbeit, Jungs. Wir sind schwer beeindruckt. Das wären wirklich zu viele Zufälle, um nicht wahr zu sein. Ich bin mir sicher, dass hier jemand tatsächlich die Geschichte vom Ritter Harras nachspielt. Aber was soll das bezwecken?«
Paul und Georg sahen sich kurz an. Sie konnten ihren Stolz nicht verbergen. Die jungen Hobbydetektive hatten mehr herausgefunden als die Polizei. Georg wollte ihren Erfolg noch ein bisschen auskosten. »Sind Sie sich wirklich ganz sicher, dass wir auf der richtigen Spur sind?«
»Absolut«, bestätigte Kroll noch einmal. »Das war wirklich gute Arbeit. Wie seid ihr denn auf die alte Geschichte gekommen?«
»Das war ich!«, preschte Georg vor. Er redete wie ein Wasserfall. »Ich weiß auch nicht, warum mir die Geschichte wieder eingefallen ist. Meine Oma hat mir früher oft aus dem Buch vorgelesen. Und bei ›Lobpreisung Gottes ‹ und ›Engelsstimmen ‹ hat es einfach klick gemacht. Dann waren wir uns natürlich überhaupt nicht sicher, ob wir nicht auf dem falschen Dampfer sind. Aber dann kam die Sache mit dem Weinstock bei uns im Hof. Allerdings hätte das ja immer noch ein dummer Zufall sein können oder ein harmloser Bubenstreich. Doch als dann die Lilien in der Kirche lagen und der ZZ TOP da rauskam,
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