Goldmacher (German Edition)
Christoph deutlich hörbar Paula zu.
»Wo ist Irene denn?«, wollte Paula nun von dem Gastgeber wissen. Der wies in eine Richtung und ging voraus, Paula folgte ihm mit Christoph und Peter ins Nebenzimmer. Lexa blieb unentschlossen zurück, ihre Blicke schweiften suchend umher.
»Suchst du jemanden?«, fragte Sissi.
»Ich bin hier verabredet«, erwiderte Lexa, verriet aber nicht, mit wem.
Sie wandte sich an Anton und bedauerte, dass im Audimax erst die Chaoten und Abspalter gestört hätten und danach auch noch die Mädchengruppe. »Die ganze Veranstaltung ist total misslungen«, urteilte Lexa.
»Ich hätte wirklich gern mehr über die Revolution erfahren, vielleicht kannst du mich jetzt aufklären«, sagte Anton, doch da gesellte sich Hans-Ulrich zu ihnen und unterbrach das Gespräch.
»Paula macht jetzt offenbar in Revolution und nicht mehr in Mode«, mischte er sich spöttelnd ein. »Ist das jetzt auch in Mode?« Hans-Ulrich wies auf Lexas Palästinensertuch.
»Soll ich euch nicht zuerst einmal bekannt machen? Das ist Lexa, die Tochter von Franz«, stellte Sissi vor, »Hans-Ulrich kennt deinen Vater schon lange«, erklärte sie an Lexa gewandt.
Hans-Ulrich musterte Lexa von oben bis unten. »Sie sind eine der Töchter von Franz Münzer«, sagte er schließlich und kniff die Augen zusammen: »Und?«, fragte er dann, »werden Sie wie Ihre Freunde, um unsere deutsche Schuld zu sühnen, auch auf dem Bananendampfer von Irenes Papa nach Bolivien schippern und bei der Revolution anheuern?«
»›Errichtet die Revolution in eurem eigenen Land‹, sagt Ho Chi Minh«, erwiderte Lexa, »ich bleibe hier.«
»Dann waren Sie es, die im Audimax das Transparent hochgehalten hat«, schloss Hans-Ulrich.
»Wir«, korrigierte Lexa, »wir haben Ho Chi Minhs Worte hochgehalten.«
»Wir«, wiederholte Hans-Ulrich und nickte bedächtig. »Aber ja, natürlich wir«, wiederholte er noch einmal, dann legte er los: »Sie wissen es wahrscheinlich nicht, aber Ihr Vater, Anton und ich, wir drei waren als HJ ler zusammen beim Ernteeinsatz in der Holsteinischen Schweiz. Damals war ich Adjutant Ihres Vaters und wir waren, im Gegensatz zu meinem jetzigen Chef«, er schickte ein kurzes spöttelndes Lächeln zu Anton, »Opportunisten. Ihr Großvater, der alte Münzer dagegen, war ein überzeugter Nazi, der war kein Opportunist.« Hans-Ulrich lachte, als hätte er einen Witz zum Besten gegeben.
»Unsinn!« Noch bevor Anton etwas dazu sagen konnte, erklärte Lexa entschieden: »Mein Großvater war auch Opportunist, sogar ein lupenreiner Opportunist.« Und nicht weniger entschieden verließ sie damit den kleinen Kreis.
Anton wechselte einen schnellen Blick mit Sissi, er wollte ihr folgen, doch nun wandte sich ein Gast, der Lexas Bemerkung aufgeschnappt hatte, an ihn und meinte, die meisten Studenten wären doch auch nur Opportunisten, sei es doch gerade Mode, sich als Retter der Armen und Ausgebeuteten dieser Welt zu verstehen.
»Es gibt bessere und es gibt schlechtere Moden, ich würde, im Vergleich zur letzten Mode in Deutschland, diese gegenwärtige eindeutig für die bessere halten«, meinte Anton.
»Unsere jungen Studenten sind wahre Theoriejongleure und enorm intelligent«, mischte sich ein Fernsehmitarbeiter ins Gespräch, dehnte dabei das Wort enorm, »und so gebildet! Wir müssen im Sender ständig im Fremdwörterlexikon nachschlagen.« Er lachte sehr laut, um zu zeigen, dass das ein Witz sein sollte.
»Wenn wir Deutsche etwas machen, dann gründlich«, erklärte nun eine Frau. »Ich wünsche mir von diesen jungen Leuten, dass sie diesen rechten Dreck endlich einmal gründlich ausmisten!«
»Sie wollen Nestbeschmutzer unterstützen!«, kommentierte ein Mann die Frau.
»Kann es sein, dass Sie vielleicht der Schmutzfink sind?«, parierte die Frau und hielt seinem erbosten Blick stand.
»Die Jungen wollen international sein«, glaubte der Fernsehmitarbeiter, »vor allem unsere jungen Dichter und Denker wollen endlich international sein, das Kulturgeschäft hat da im Vergleich zu unserer Wirtschaft doch Aufholbedarf …«
Anton und Sissi verständigten sich, traten aus dem Kreis heraus und schlenderten auf der Suche nach Lexa durch die Wohnung.
»Vielleicht sollte ich bei den Alten Meistern in die Lehre gehen«, meinte Anton zu Sissi, »zu meiner Zeit war die Lektüre von Marx und Engels bei Todesstrafe verboten.«
»Vielleicht kannst du bei ihr Nachhilfeunterricht nehmen«, schlug Sissi vor, sie hatte Lexa entdeckt und machte
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