Goldmacher (German Edition)
Druck setzte. Sie sagte es ihm. »Er behandelt dich wie seinen Leibeigenen, du bist nicht bei der Bank angestellt, sondern bei ihm als sein Sklave. Und in mir sieht der Alte doch nur eine Zuchtstute, die bisher kläglich versagt hat, weil sie noch keine Söhne zur Welt gebracht hat.«
Rosi schrak aus ihren Gedanken auf, sie hatte unten die Stimme von Berta gehört, seit zwanzig Jahren die gute Seele im Haushalt der Münzers. Sie allerdings fühlte sich von Berta eher beaufsichtigt. Wie von dem Alten auch. Schnell schob sie vorsichtig die quietschende Schiebetür wieder vor das Geheimfach, wischte mit ihrem Taschentuch über das Holz, als könnte sie Spuren hinterlassen haben, stellte die Bände von »Meyers Lexikon« zurück an ihren Platz, ging in die Küche der Schwiegermutter und wusch dort das wenige Geschirr ab, Berta sollte glauben, sie sei deshalb nach oben gegangen.
Bevor sie die Wohnung wieder verließ, warf sie noch einen Blick in die Bibliothek, heftete ihn im Bewusstsein der geheimen Zeugenschaft dahinter auf »Meyers Lexikon« und ihr kräftiger junger Körper straffte sich: Sie würde Alexandra helfen und damit das eigene Problem lösen.
Rosi wartete, bis der Schwiegervater auf den Amselhof kam, um mit Franz über die Geschäfte zu sprechen. Am Abend, im Anschluss an das Geschäftsgespräch, als alle schliefen, sprach sie mit Franz über das ganze Ausmaß von Alexandras Sucht, das Geheimfach mit den vielen Flaschen, das heimliche Trinken bereits am Morgen zum Frühstück.
»Alexandra muss zu ihrem Mann in die Stadt ziehen, davon musst du deinen Vater überzeugen, hier wird sie in absehbarer Zeit ertrinken, entweder im Alkohol oder im See«, endete sie dramatisch.
»Das ist ausgeschlossen!«, sagte Franz, ohne zu zögern, »Hubert hat eine Geliebte!«
Dann müsse er die Geliebte eben aufgeben, brauste Rosi nun auf, diese Geliebte sei wahrscheinlich ohnehin der Grund, weshalb Alexandra trinken würde, empörte sie sich.
Franz verteidigte den Vater. Er könne Alexandra nicht helfen, im Gegenteil, seine Gegenwart würde sie an das große Unglück erinnern.
»Besser, er hat eine Geliebte«, sagte Franz und wiederholte es so oft, dass Rosi plötzlich die Eingebung hatte, Franz plädiere in eigener Sache, und ihm auf den Kopf zusagte, er habe ein Verhältnis. Und Franz, überrumpelt, gab es zu, um sein Geständnis gleich zu relativieren, wenn nicht rückgängig zu machen. Es sei ganz harmlos, schwor er, ein völlig bedeutungsloses Verhältnis mit einer der Sekretärinnen, das so gut wie beendet, nein, bereits vorbei sei. Nichts half. Die unerwartet aufgedeckte Untreue von Franz und die Enttäuschung über den misslungenen Plan, Alexandra zu retten und damit selber vom Schwiegervater befreit zu sein, ließen Rosi in einen unversöhnlichen Zorn ausbrechen, und sie sperrte Franz aus dem Schlafzimmer aus.
Verärgert, auch über die eigene Dummheit, lief Franz an den See hinunter und setzte sich vor die Badehütte. Auf Pfählen gebaut, ragte sie ein Stück weit ins Wasser hinein. Er schaute zu den wenigen schwach blinzelnden Lichtern der gegenüberliegenden Uferseite. Die Berge hoben sich dunkel vor dem helleren Nachthimmel ab. Es war windstill und sternenklar. Hin und wieder umschmeichelte ihn ein feiner warmer Luftzug. Die Vorstellung, in der Badehütte zu übernachten, gefiel ihm immer besser, ja, er fühlte sich plötzlich sorglos und frei wie früher, als er noch ein Junge war.
Rasch zog er sich aus und glitt in das Wasser, es war kalt und belebend, er legte sich auf den Rücken und sah hinauf zu den Sternen, bis ihn ein Schwindel ergriff. Eigentlich war er froh über Rosis doppelte Entdeckung, gestand er sich ein, als er sich abtrocknete und einen Bademantel anzog. Er würde mit Alexandra reden müssen, und Rosi würde er sagen, dass er diese Affäre gebraucht hatte wie eine Erfrischung oder ein kleines Helles. Er legte sich auf die Luftmatratze, atmete den Duft der Holzbohlen ein, lauschte auf das heimelige Gurgeln und seichte Schwappen des Wassers darunter und wünschte sich jetzt Rosi herbei. Seine Liebe zu ihr und sein Begehren hatten sich in den vielen Jahren, das verflixte siebte Jahr lag hinter ihnen, nicht verändert, was machte es da schon aus, wenn er hin und wieder ein Verhältnis hatte? Er deckte sich mit den Frotteetüchern zu und wachte erst wieder auf, als die Sonne durch die Holzritzen blitzte.
Nachdem er ins Wasser gesprungen und ein paar Hundert Meter gekrault war, betrat er
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