Goldmond
dass sie nicht ganz Mensch war. Doch er ertappte sich immer öfter dabei, dass er nicht über eine längere Zeit darüber nachdenken wollte. Der Gedanke, das Geheimnis der Herrin Ireti ergründen zu wollen, jagte dem Schmied eine Angst ein, die der glich, die man auch vor einem Geist oder einem Dschinn haben mochte.
Dass sein kranker Gefährte sie nun besuchen sollte, schien ihm falsch. Die Gegenwart einer solchen Frau konnte ihm, dem Genesenden, nicht guttun, zumal er heute zum ersten Mal wieder gearbeitet hatte. Zwar war das hier im Gefangenenlager gewesen, doch selbst so war der Gefährte nach dem Untergang der Weißen Sonne erschöpft auf sein Lager gesunken.
Githalad hätte ihm die Begegnung mit der Herrin Ireti gern erspart.
Er beugte sich zu Mojisola hinab und wischte ihm mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Dann rüttelte er den Gefährten sanft an der Schulter. »Mojisola, du musst gehen. Die Königin erwartet dich beim Untergang der Roten Sonne. Das ist schon bald. Wenn du jetzt nicht aufbrichst, wirst du dich verspäten. Das solltest du nicht riskieren.«
Mojisola öffnete nicht einmal die Augen. »Sage ihr, ich kann nicht kommen. Ich bin zu müde. Ihr Schwager hat mir zu viel Kraft genommen. Ich war tot!«
Githalad schwieg, doch dann sagte er: »Mojisola, du musst gehen. Auch wenn es dich erschöpfen wird. Aber du weißt, was sie uns allen antun wird, wenn du dich ihrem Befehl verweigerst!«
Der Schmied aus Entarat setzte sich auf, sah aber seinen Gefährten nicht an. »Ich kann es nicht. Ich weiß, was sie will. Ich kann es nicht tun.«
Githalad starrte den Gefährten verblüfft an. »Woher willst du wissen, was sie will? Und warum sagst du, du kannst es nicht?«
Mojisola öffnete jetzt zum ersten Mal die Augen. Doch er sah zunächst nicht Githalad an. Stattdessen wanderte sein Blick nervös in dem kleinen Innenraum der Hütte herum, als suche er etwas. Er schien es jedoch nicht zu finden, also richtete er die Augen schließlich doch auf den Gefährten.
»Siehst du sie des Nachts nicht?«
»Wen?«, wollte Githalad wissen. »Die Königin?«
»Ich weiß nicht, ob sie es ist«, murmelte Mojisola. Seine Stimme klang gehetzt. »Es ist eine Gestalt des Todes. Eine Gestalt aus Nebel, und sie verlangt, dass wir ein Behältnis für das Siegel der Ys herstellen!«
Githalad runzelte dir Stirn. »Ach, hör auf«, sagte er schließlich und winkte ungeduldig ab. »Ich bin diese ganzen Geschichten um die Gespenster, die jeder hier in der Wüste gesehen haben will, allmählich satt. Dir glaube ich zwar noch am ehesten, doch darfst du nicht vergessen, dass du lange und heftig der Kraft der Kälte ausgesetzt warst.«
»Es ist nicht nur das!«, gab Mojisola zurück. Seine Stimme klang gehetzt, als fürchtete er, belauscht zu werden. »Dieser Geist ist echt! Er kommt jede Nacht und steht hier neben dem lannon !«
Githalad legte dem Freund die Hand auf die Schulter. Er wusste selbst, dass Mojisola jede Nacht aus dem Schlaf aufschreckte, der voller böser Träume von Eis war, das ihn umgab, und einem so scharfen Wind, dass dieser seine Seele immer wieder aufs Neue aus dem Körper riss.
»Jeder weiß, dass man in deinem Zustand Dinge sieht, die nicht der Wahrheit entsprechen – und im Grunde deines Herzens weißt du das selbst. Das Siegel gibt es nicht. Und wenn, dann liegt es in den Jenseitigen Ebenen! Vielleicht wissen die Geister des Nebels, dass es dort ist.«
Mojisola schwieg einen Moment lang, dann zog er sich die Decke, unter der er gelegen hatte, eng um die Schultern. »Ich weiß nicht, wer oder was dieser Geist ist. Er leuchtet nicht rot oder gelb. In meiner Heimat sagten mir die Seelenherren, dass Dunkelmagier solche Farben hätten, denn den Elben ist nicht erlaubt, die Nebel zu betreten.« Er warf einen raschen Seitenblick auf Githalad. »Meine Großmutter sagte es mir, ihre Kusine war eine Seelenmagierin.«
»Und dieser Geist sieht anders aus?«, fragte Githalad nach einer Pause, denn offenbar erwartete Mojisola eine Antwort. Githalad wollte ihm nur ungern das Gefühl geben, in seiner Krankheit nicht ernst genommen zu werden.
»Nein, dieses Gespenst leuchtet violett wie der Schatten des Syth! Es ist wie ein dunkler Schatten. Man kann nichts erkennen, nicht, ob er ein Mann oder eine Frau ist, geschweige denn ob elbisch oder menschlich.«
»Und was hat das Gespenst zu sagen?«, fragte Githalad, der kein Wort davon glaubte.
Mojisola schwieg zunächst, dann sagte er: »Es will das Behältnis.
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