Goldmond
wurde. Weißt du, warum?«
Ihre Frage war so direkt, dass Sinan den Blick senkte und nicht sofort antwortete. Er nahm noch einen Löffel mit Eintopf und sah sie dann wieder an.
Er erschrak.
Ihr Blick war auf ihn gerichtet, doch jetzt erkannte er, dass ihreAugen, obwohl von honigfarbener, seltsam durchsichtiger Iris, goldene Pupillen hatten, die aussahen wie ein auf dem Rücken liegender Arkanusskern. Es war, als sehe sie ihn an und gleichzeitig durch ihn hindurch.
Eine Elbin, nein, Halbelbin, die die Kunst des Heilens beherrschte.
Widerwille und Angst rührten sich in Sinan. Der Eintopf schmeckte ihm nicht mehr, er stellte die Schüssel ab.
»Ich bin einer Elbin keine Rechenschaft schuldig«, sagte er kurz angebunden.
Sie schwieg zunächst, dann lächelte sie schief. »Mein Name ist Mohdavat«, sagte sie. »Mein Vater ist Feuermagier, meine Mutter war eine Wasserelbin aus Hellor. Ich wurde von Vanar mit der Gabe des Lebens geehrt. Und ich habe dir geholfen, die Kälte, an der du beinahe gestorben wärst, zu überwinden.«
Sinan wollte widersprechen und ihr erklären, dass es nicht ihr Verdienst gewesen sei, dass er wieder erwacht sei. Doch kaum hatte er angesetzt, zuckte Schmerz durch sein Handgelenk und erinnerte ihn daran, dass die junge Frau – Mohdavat – wahrscheinlich recht hatte.
Sie hob die Schüssel an und reichte sie ihm erneut. »Du hast von mir nichts zu befürchten. Von keinem von uns.« Sie erhob sich. »Ich werde den Stammesältesten holen. Vielleicht magst du ihm unsere Fragen beantworten.«
Sie ging davon, und Sinan blickte ihr schuldbewusst hinterher. Er sah in die Schüssel hinab, die noch halb mit Eintopf gefüllt war. Der warme Duft der Gewürze stieg ihm in die Nase und machte ihm klar, wie hungrig er war. Er aß weiter.
»Ich sehe, du bist wieder bei Kräften«, erklang eine Stimme neben ihm. »Ich bin Adhasar, der Älteste dieser Sippe.« Er wies mit einer ausladenden Geste auf die Menschengruppe, die sich um das Feuer herum versammelt hatte. »Da du meiner Tochter Mohdavat nicht antworten wolltest, sagst du vielleicht mir, warum wir dich in einer Oase fanden, die völlig verwüstet war. Von Elbendes Königs, wie uns die Überlebenden sagten – die dich im Übrigen für tot hielten.«
Sinan nahm sich noch einen Löffel und stellte dann die Schüssel wieder vor sich ab.
»Ich bin ein Feind des Königszwillings. Er war es, der mich auf meinem Weg zum Zaranthen von Solife verfolgte und fand – und tötete, als ich seinen Bruder des Mordes bezichtigte.«
Er war selbst überrascht, dass er das so freimütig zugab. Was, wenn diese Menschen den Elben nicht so kritisch gegenüberstanden wie er selbst? Sinan horchte in sich hinein und stellte fest, dass er keine Angst vor den möglichen Konsequenzen mehr hatte. Es war, als habe die Kälte diese Angst, die jeder vom Volk des Dunkelmonds vor den Kindern des Vanar empfand, ein für alle Mal in ihm vernichtet.
Adhasar nickte langsam. »Der Zwilling des Königs. Mohdavat lebte einige Zeit unter den Elben, um zu lernen, wie man die Gabe des Lebens verwendet. Sie berichtete mir, dass man sich unter ihnen erzählt, der jüngere Sohn des Dajaram von Norad sei reicher von Vanar beschenkt worden als jeder andere seines Volkes.«
Sinan nickte. »Die Elben richten viel Schaden an mit ihren goldenen Magien, doch ich kenne niemanden, der mehr Leid verursacht hat als er.« Wie aufs Stichwort wehte eine kühle Brise gegen Sinans Rücken. Er schauderte und zog sich die Decke, unter der er gelegen hatte, enger um die Schultern. Er wusste, dass die Nächte in der Wüste kalt waren und hatte auch keine Angst davor, doch erinnerte ihn der Wind an die Kälte, die er in den Jenseitigen Nebeln erlebt hatte.
Schon die Erinnerung daran war verstörend.
»Telarion Norandar sagt von sich, er achte das Leben«, fuhr er fort. »Doch in Wirklichkeit habe ich nie einen Elb gesehen, der das Volk des Dunkelmonds mehr verachtet hätte als er. Er ist die Verkörperung des Vanar, des Goldenen Monds, der alles hasst, was sein jüngerer Bruder Akusu geschaffen hat.«
Adhasar schwieg einen Augenblick, dann erwiderte er: »Nachallem, was Mohdavat mir erzählte, erscheint es mir nur folgerichtig, dass einer, dessen Seelenmagie die Beherrschung von Erz und Feuer ist, die Elben hasst. Und doch trägst du eine elbische Waffe bei dir.«
Sinan sah an sich herab. Das daikon , dass er ursprünglich für den Heermeister der Elben gemacht hatte, war neben ihn in die Sandkuhle
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