Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Alber den Museumsdirektor an. So kalt, dass er sich von ihr unbemerkt den Brieföffner in den Hosenbund steckte. Für alle Fälle.
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Sarnthein, Samstag, 28. April
Bestens gelaunt saß Vincenzo mit einem Müsli am Frühstückstisch. Draußen schien die Morgensonne von einem wolkenlosen Himmel über Schloss Reinegg, hinter dem sich majestätisch der Villanderer Berg aus dem Morgendunst im Tal erhob. Normalerweise machte er jeden Winter mindestens ein Mal eine Skitour zum Gipfel, um das traumhafte Panorama zu genießen, doch in diesem Jahr hatte er sich zu schlapp dafür gefühlt. Sobald der letzte Schnee geschmolzen war, würde Vincenzo ihn wenigstens besteigen.
Der Goldrausch, wie sie die Akte intern nannten, schien sich seinem Ende zu nähern. Baroncini war von den Details des Goldfundes der Pflerschtaler genauso beeindruckt gewesen wie seine Mitarbeiter, und der Staatsanwalt, den er noch in Vincenzos Gegenwart angerufen hatte, hatte versprochen, dass der Durchsuchungsbeschluss bis spätestens Montagmittag vorliegen würde. Für Kofers Haus und sein Museum.
Nach Monaten voller Frust, Trauer, Zukunftsängsten und Panikattacken deutete alles darauf hin, dass Vincenzo sein Leben allmählich wieder in den Griff bekam. Vor allem beruflich sah es mit seinem dritten Mordfall binnen kurzer Zeit ausgesprochen gut aus. Und wieder war der Fall spektakulär, wenn man sich vor Augen führte, dass jemand neunzig Kilogramm Gold in Südtirol gefunden hatte. Die Meldung würde es nicht nur in Südtirol auf die Titelseiten und in die Fernsehnachrichten schaffen. Vincenzo malte sich schon aus, wie die Touristen in Scharen nach Südtirol strömten in der Hoffnung, irgendwo in den Bergen Gold zu finden. Ein richtiger Goldrausch wie vor langer Zeit würde ausbrechen.
So abenteuerlich und ausgefallen der Fall auch wieder war, so klassisch waren diesmal Mörder und Motiv. Kein Wahnsinniger, kein Monster, keine Bestie stand im Mittelpunkt, sondern die unermessliche Gier nach Reichtum.
Vincenzos Gedanken wanderten zu Gianna. Sie war noch immer weit davon entfernt, wieder die Alte zu sein, doch die tiefe Kluft zwischen ihnen schloss sich langsam. Beim Gedanken an den ältlichen Rechtsanwalt wurde Vincenzo zwar immer noch wütend, doch wenn er sich zur Besonnenheit zwang, gestand er sich ein, dass seine Eifersucht substanzlos war. Gianna hatte kein Interesse an so viel älteren Männern und war in den letzten Jahren von Grund auf ehrlich gewesen. Niemals würde sie hinter seinem Rücken eine Zweitbeziehung eingehen und ihm das verschweigen. Sollte sie ruhig Trost und Zuspruch bei ihm suchen. Letztlich kam das Vincenzo vielleicht sogar zugute.
Als sie gestern Abend geskypt hatten, war ihm aufgefallen, dass Gianna gelöster wirkte. Sie sah besser aus, verhielt sich nicht mehr so verkrampft. Gut möglich, dass das an diesem di Angelo lag. Dass von ihm Ruhe ausging, konnte Vincenzo sich trotz des unschönen Vorfalls vorstellen.
Wenn die Zeit die restlichen Wunden geheilt hatte und er wieder mit Gianna zusammen war, würde er sich überwinden und den Anwalt kennenlernen. Auch um Gianna besser zu verstehen. Doch dafür war es noch zu früh. Fürs Erste reichte es ihm, dass seine Gedanken nicht mehr ausschließlich um Gianna kreisten und Ängste sein Lebensgefühl beeinträchtigten, ihn körperlich und geistig lähmten. Endlich blickte er wieder zuversichtlich in die Zukunft. Am Mittwoch hatte er Albertazzi zuletzt angerufen und mit überflüssigen Fragen gelöchert. Das war vorbei, seither hatte er nicht den Drang verspürt, sich bei ihm zu melden. Nie wieder würde er sich selbst so verrückt machen, sich dermaßen in eine Sache hineinsteigern. Und nachdem er bewusst diese Entscheidung getroffen hatte, hatte er gleich viel besser und ohne Alpträume geschlafen.
Vincenzo freute sich auf den Tag. Erst ein anstrengender Marsch, dann ein genussvoller Abend. Wahrscheinlich würden sie beim Grillen von der Anstrengung noch großen Durst haben. Aber Abhilfe war in Aussicht: Hans brachte Wein mit.
* * *
Hinteres Pflerschtal
Voller Ehrfurcht stand Andreas Kofer vor seinen Entdeckungen im alten Kartoffelkellergewölbe. Als Christine und ihr Lover in den Keller gegangen waren, hatte er befürchtet, dass sie hinter den großen Wandteppich schauen würden, den er als Sichtschutz vor die Tür gehängt hatte, aber nichts war passiert. Weil sie wahrscheinlich ahnten, dass sie nichts finden würden, suchten sie nur halbherzig. Als sie endlich sein
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