Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
sechs Millionen Euro«, fuhr Vincenzo fort. »Sechs Millionen! Fast vier für das Schmelzgold, der Rest für die Fundstücke. Wachtler war regelrecht konsterniert, als ich ihm das erzählt habe. Nie hätte er neunzig Kilo für möglich gehalten. Zumal er selbst im letzten Juli keinerlei Hinweise darauf gefunden hatte. Die zwanzig, die er am Monte Rosa gefunden hat, gelten bisher immerhin als größter Goldfund der Alpen in der Neuzeit. Für ihn gibt es nur eine Erklärung: Im beginnenden fünfzehnten Jahrhundert muss die gesamte Stollenanlage von einem riesigen Erdrutsch oder einer gigantischen Lawine verschüttet worden sein, sodass die Minenbetreiber keine Gelegenheit mehr hatten, das Gold abzubauen. Wachtler vermutet, dass Berchtenbreiter das Geld von den Sammlern beziehungsweise ihrem Kontaktmann bereits bekommen hatte, bevor das zweite Treffen mit Gamper stattfand. Ich habe mich ohnehin schon gefragt, wie Berchtenbreiter innerhalb eine Woche sechs Millionen Euro in bar besorgt haben soll. Und es geht noch weiter mit den phantastischen Zahlen. Unser Freund aus Innichen glaubt keineswegs, dass Gamper nur irgendwelche Werkzeuge verkaufen wollte. Er ist vielmehr davon überzeugt, dass unsere Goldgräber auf einen Kultraum gestoßen sind. Mit Statuen und anderen Gegenständen aus reinem Gold, vielleicht sogar mit Goldmasken. Womöglich fanden dort schon seit der Antike besondere Zeremonien zu Ehren der Götter statt. Das Wissen hierfür dürfte im Laufe der Zeit und noch mehr seit der Verschüttung des gesamten Stollensystems verloren gegangen sein. Wachtler meint, dass wir wahrscheinlich mit der Erforschung der Höhle erst am Anfang stehen. Immer wieder gab es in der Weltgeschichte Jahrhundertfunde. Die Sonnenscheibe von Nebra, Tutanchamun und Troja, um nur einige Schlagworte zu nennen. Potente Sammler könnten für die Einzelstücke aus unserer Höhle in der Summe bis zu zwanzig Millionen Euro hingeblättert haben! Das heißt, dass Berchtenbreiter und der Goldschmied ein noch viel größeres Geschäft gemacht hätten, was uns hier allerdings nicht interessieren muss. Berchtenbreiter hat sauber über den Ankauf von Barrengold und Kleinteilen Buch geführt, jedes einzeln aufgelistet, ebenjene angeblichen Werkzeuge. Für jeden Barren Gold und jedes Einzelstück gibt es Lieferscheine und Rechnungen. Alles hochoffiziell, alles überprüfbar. Laut Rechnungen hat Berchtenbreiter sechs Komma drei Millionen Euro eingenommen, was einen Gewinn von nur dreihunderttausend bedeuten würde. Doch in Wahrheit dürfte es ein Vielfaches davon gewesen sein. Dann hätte er den ganzen Deal perfekt getarnt. Es dürfte etliche Unter- und Zwischenhändler in der ganzen Welt geben, deren Spur sich über kurz oder lang verliert. Immerhin wissen wir nun, dass sechs Millionen Euro unter vier Goldgräbern aus dem Pflerschtal aufgeteilt wurden, vermutlich am Silvesterabend.«
Marzoli schnalzte mit der Zunge. »Mit eins Komma fünf Millionen hat man ausgesorgt. Und nach Gampers Tod kamen für den Mörder noch einmal eins Komma fünf Millionen dazu. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Geld den Flammen zum Opfer gefallen sein soll. So eine Summe ist ein handfestes Motiv für einen Mord.«
»Und unser freundlicher Museumsdirektor aus Sterzing hat mindestens eine dieser unbezahlbaren Statuen für sich abgezweigt«, stellte Mauracher fest. »Wenn ich diese Zahlen höre, wird mir auch klar, dass der nichts weniger gebrauchen kann als Mitwisser. Und dazu werden Alber und Ferrari spätestens dann, wenn Kofer dieses und vielleicht noch weitere bisher unterschlagene Exponate in seinem Museum ausstellt. Für mich ist der Fall damit genauso klar wie der Grund, warum Christine Alber nach den Anschlägen nicht von sich aus zur Polizei gegangen ist. Denn dann wäre das wahre Ausmaß ihres Fundes ans Tageslicht gekommen, und der Traum vom neuen Hotel wäre ausgeträumt gewesen. Übrigens finde ich, dass wir trotzdem dafür sorgen sollten, dass gegen diesen Berchtenbreiter und seine komischen Kontaktleute ermittelt wird. Das kann man doch nicht einfach so auf sich beruhen lassen.«
»Das ist nicht unsere Baustelle, Sabine. Aber wenn wir den Fall aufgeklärt haben, werde ich Feyerabend zu eigenen Ermittlungen raten. Ob er den Rat annimmt, muss er selbst entscheiden. Außerdem hat Berchtenbreiter tatsächlich sauber Buch geführt. Er ist in der Tat nicht dafür zuständig zu prüfen, ob in Südtirol die einschlägigen Vorschriften eingehalten wurden. Und dass
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