Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
verwischen. Übrig geblieben wäre nur der reine Goldwert, den er mit den anderen auch noch hätte teilen müssen. Er hatte schon Mühe gehabt, durchzusetzen, dass sie die Statuen, die sie in den anderen Stollen vereinzelt gefunden hatten, nicht einschmolzen, sondern versuchten, sie als Sammlerstücke zu verkaufen. Am liebsten wäre es ihm gewesen, er hätte auch diese wundervollen Stücke vor den anderen gefunden, um sie seinem Museum zuzuführen. Andererseits würde er nur aufgrund des Geldes, das sie zusätzlich eingebracht hatten, seinen Traum nahezu ohne Fremdkapital realisieren können. Außerdem war wenigstens ihr ideeller Wert erhalten geblieben. Wahrscheinlich hatte Gamper sogar mehr bekommen als die sechs Millionen, die er ihnen gegenüber genannt hatte, und die Differenz für sich behalten. Doch das war Kofer jetzt nicht mehr wichtig. Er hatte Geld genug, und das, was er in Eigenregie an Fundstücken veruntreut hatte, würde ihn über die Grenzen Südtirols hinaus berühmt machen. Das mit den Behörden würde er schon irgendwie deichseln, notfalls mit der einen oder anderen kleinen Finanzspritze. Immerhin käme sein einzigartiger Fund dem ganzen Land zugute.
Und auch die Polizei würde irgendwann ihre Ermittlungen einstellen, es war lediglich eine Frage der Zeit. Danach würden sie sich nicht mehr für sein Museum interessieren. Nur Alber und Ferrari waren eine permanente Gefahr. Sie waren die einzigen noch lebenden Zeugen, die genau wissen würden, woher die zukünftigen Exponate für das Koferopolis kamen. Gaben sie den entscheidenden Hinweis, konnte jeder Fachmann mit einer Standardanalyse beweisen, dass sein Fund aus exakt dem Stollen stammte.
Das Einzige, was die beiden davon abhalten könnte zu plaudern, war die Tatsache, dass auch sie bei dem Betrug ihre Finger mit im Spiel hatten. Aber waren ihr Neid und ihr Hass ihm gegenüber nicht größer als die Angst vor juristischen Konsequenzen? Er befürchtete es. Schon jetzt machte die Schlange keinen Hehl aus ihrem Verdacht. Seltsam nur, dass sie sich bei der Durchsuchung so zurückgehalten hatte.
Kofer betrachtete nachdenklich seine Merkurstatue. Sie stand exemplarisch für eine bessere Zukunft. Er musste sich etwas einfallen lassen. Nichts und niemand durfte ihn davon abhalten, sein Koferopolis Realität werden zu lassen.
26
Bozen, Montag, 30. April
Voller Tatendrang saß Vincenzo an seinem Schreibtisch. Er wollte endlich aufbrechen. Nervös sah er abwechselnd aus dem Fenster und zum Telefon. Er wartete auf Baroncinis erlösenden Anruf, dass der Durchsuchungsbeschluss vorlag. Morgens hatte er sich schon um acht Uhr mit Marzoli und Mauracher getroffen, um das Vorgehen für den heutigen Tag abzusprechen. Sie hatten entschieden, dass er zusammen mit Sabine zunächst dem Hotel Christine einen Besuch abstatten würde, um Alber und Ferrari mit den Ergebnissen aus Donauwörth zu konfrontierten. In der Zwischenzeit sollten vier Kollegen der Spurensicherung und das Durchsuchungskommando unter Marzolis Anweisungen Kofers Museum bis in den letzten Winkel auseinandernehmen. Vincenzo hoffte, dass Kofer in seinem Museum war, damit sie ihn so lange festhalten konnten, bis sie gemeinsam zu seinem Haus fuhren. Der Commissario wollte verhindern, dass er die Chance bekam, seinen Fund und vielleicht Gampers Anteil aus dem Haus zu schaffen, bevor das Kommando bei ihm eintraf. So weit der Plan, es fehlte nur der Durchsuchungsbeschluss.
Um neun Uhr hatten sie sich mit dem Einsatzkommando unter der Leitung von Commissario Benvenuto di Cesare getroffen. Ein Neapolitaner, der schon seit mehr als zehn Jahren seinen Dienst in Bozen verrichtete. Wie Vincenzo war er begeisterter Bergsteiger, doch trotz ihrer gemeinsamen Leidenschaft waren Vincenzo und er niemals mehr geworden als Kollegen, die sich gegenseitig respektierten. Vor allem di Cesares fast krankhafter Ehrgeiz in Bezug auf seinen Körper war daran schuld. Er war durchtrainiert, besaß den dritten Dan im Shotokan-Karate, schaffte im Bankdrücken hundertachtzig Kilogramm, obwohl er selbst nur neunzig wog, und war nicht zu schüchtern, um damit zu prahlen. Auf seinen Bergtouren war nicht der Weg das Ziel, sondern der Gipfel – und die Zeit, die er benötigte, ihn zu erreichen. Er hatte kein Gramm Fett am Körper, trug dafür aber stets einen Gesichtsausdruck zur Schau, der nur eines verhieß: Konsequenz und Durchsetzungsfähigkeit bis zum Äußersten. Vincenzos Mentalität, der bei allem Körpergefühl und
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