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Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Titel: Goldrausch in Bozen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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einem hässlichen alten Mann betrogen. Hatte er den Typen wenigstens verprügelt? Wut regte sich in seiner Magengrube. Mit einer abrupten, wenig koordinierten Bewegung wollte er sich aufzurichten, doch sofort nahm die Abrisstruppe in seinem Schädel wieder die Arbeit auf.
    Mit dem Schmerzschub tauchte ein weiterer Erinnerungsfetzen auf. Wutentbrannt war er aus der Wohnung auf die Straße gestürmt, aber wohin war er gegangen? Er dachte nach. Nichts, nur Leere. Vorsichtig setzte sich Vincenzo auf und realisierte, dass die Holzbank, auf der er gelegen hatte, zu einem Tisch gehörte. Instinktiv stützte er sich auf ihm mit beiden Ellbogen ab. Der Kraftaufwand, sich allein mit der Rumpfmuskulatur in aufrechter Position zu halten, war schier übermenschlich. Als der Commissario der Tasse gewahr wurde, die vor ihm stand, führte er seine rechte Hand in Zeitlupentempo zu der Medizin, die ein wenig Linderung versprach. Er nippte an dem Heißgetränk, das inzwischen nur noch lauwarm war. Gut. Er leerte die Tasse in einem Zug. »Kann ich noch einen haben?«
    Das Lächeln des Italieners war inzwischen eher amüsiert. »Natürlich, ich hole ihn dir.«
    Die Zeit bis zur Rückkehr des Mannes nutzte Vincenzo, um sich umzusehen. Er befand sich in einem großen Raum mit vielen Tischen und Stühlen. Hochwertiges Inventar, kein billiges Furnier. An den Wänden große Kunstdrucke. Irgendwie kam ihm das alles bekannt vor. Er schien sich in einer Art Hotel zu befinden.
    Der Italiener stellte die zweite Tasse auf den Tisch vor Vincenzo, der sofort danach griff. »Danke, mein Freund. Und jetzt erzähl mir bitte, wer du bist und wo ich bin.«
    Der Mann klopfte Vincenzo sanft auf die Schulter. »Meine Güte, das gestern war wirklich heftig. So etwas habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt. Noch nicht einmal zum Zahlen warst du noch fähig.«
    Vincenzo trank in kleinen Schlucken. Der Kaffee tat gut. Bruchstückhaft kehrten weitere Erinnerungen zurück. Antipasti misti, Spaghetti con aglio, olio e peperoncino, Lammfilet, Rosmarinkartoffeln, Gemüse, Tartufo. Und Wein, sehr viel Wein. Grappa, auch mehr als nur ein Glas. Allmählich dämmerte ihm, was er in seiner unbändigen Wut getan hatte. »Du bist Giacomo, stimmt’s?«
    Giacomo nickte. »Drei Flaschen Amarone. Drei! Classico 2004. Und schon vor den Antipasti zwei halbe Liter Bier und zwei Grappe, doppelte, wohlgemerkt! Als ich dich gefragt habe, ob ich dir unsere Karte bringen soll, hast du gesagt: ›Egal, Hauptsache teuer.‹ Da war mir klar, dass du nicht mehr Herr deiner Sinne bist. Ich habe dir bewusst unseren Hausgrappa serviert, der ist nicht so teuer. Eigentlich wollte ich dich nach der Hälfte der zweiten Flasche Amarone dazu bringen, aufzuhören, aber als du mir deine Polizeimarke gezeigt und mir todernst mit Verhaftung gedroht hast –«
    »Wie viel?«
    »Wie viel was?«
    »Wie viel hat mich der Abend gekostet?«
    Giacomo fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. »Ich wage es kaum auszusprechen.«
    »Wie viel?«
    »Wie gesagt, es waren allein drei Flaschen Amarone. Classico 2004.«
    Vincenzo sah den Cameriere durchdringend an. »Giacomo! Wie viel?«
    Giacomo kramte eine Rechnung aus der Hosentasche hervor. »Also, insgesamt sind das … Moment, ja, da haben wir es. Drei Amarone, ganz zu Anfang die zwei Bier, elf Grappe. Dazu das Essen. Mehrere Gänge, darunter Lamm! Was soll ich sagen? Fünfhundertfünfundachtzig.«
    Fünfhundertfünfundachtzig! Fünfhundertfünfundachtzig Euro. Vincenzo zuckte zusammen. Hatte er allein tatsächlich für fünfhundertfünfundachtzig Euro gegessen und getrunken? Der Schock über diesen Wahnsinn beschleunigte seine Erinnerung um ein Vielfaches. Aus Wut und Frust war er trotz allem ins »Trussardi« gegangen. Immerhin hatte er einen Tisch reserviert. Die zwei Bier hatte er auf einmal bestellt, weil sie hier keine Maß wie Hansi auf seiner Hütte ausschenkten. Er hatte keine fünf Minuten gebraucht, sie zu leeren. Schon beim ersten Grappa hatte er sich ausgemalt, wie er Giannas altem, abgehalftertem Lover die Faust genüsslich in den Magen rammte, um ihn sich danach so richtig vorzunehmen. Vermutlich hatte er die Aggression auch ausgestrahlt, denn jetzt fiel Vincenzo ein, dass sich Giacomo schon frühzeitig zu ihm an den Tisch gesetzt hatte, um ihm zu sagen, dass ihm der Chef Anweisung gegeben habe, ihn im Auge zu behalten. Alles war wieder präsent. Fast alles. Bis auf eins. »Was habe ich dir erzählt,

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