Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
vielleicht näher kommen?«
Vincenzo stellte sich neben Kofers rechte Hand und betrachtete das Tuch, was den Gegenstand noch immer verhüllte. Das Etwas darunter mochte zwanzig bis dreißig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter breit sein. So wie die Frau das Ding aus dem Tresor genommen hatte, schien es recht schwer zu sein.
»Was ich Ihnen jetzt zeige, ist einzigartig. Ein solches Stück hat nicht jedes Museum. Und wenn mein Chef nicht übertrieben hat, wird es demnächst noch mehr davon bei uns zu sehen geben.« Die Museumsmitarbeiterin griff das Tuch mit Daumen und Zeigfinger. »Sind Sie bereit?«
Vincenzo nickte.
»Voilà!« Als sie mit einem Ruck das Tuch herunterzog, kam eine Statue aus purem Gold zum Vorschein. Oder war sie nur vergoldet? Einerlei. Sie musste höchst wertvoll sein.
Vincenzo dachte unweigerlich an Wachtlers Beschreibungen. »Meine Güte, ist das schön. Was ist das?«
Die Mitarbeiterin gab Vincenzo die Statue in die Hand. »Aber vorsichtig. Das ist eine Heiligenstatue, vermutlich aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Wahrscheinlich die Heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute. Ein einmaliges Stück von unschätzbarem Wert.«
Vincenzo betrachtete die Statue mit vor Staunen offenem Mund. Sie war von vollendeter Schönheit. Warum hatten die Goldgräber sie nicht eingeschmolzen und als Barrengold verkauft? Denn daran, dass es sich um ein Stück aus dem Stollen am Hochfeiler handelte, zweifelte Vincenzo keine Sekunde lang. »Ist die etwa aus reinem Gold?«
Die Frau nahm ihm die Statue wie ein rohes Ei aus der Hand, stellte sie auf den Schreibtisch zurück und deckte sie wieder mit dem Tuch zu. »Das kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber angesichts ihres Gewichts ist sie sicherlich nicht nur vergoldet.«
Tausende Gedanken schossen Vincenzo durch den Kopf. Wie war die Statue in Kofers Museum gelangt? War sein Motiv, sich seiner Mitstreiter zu entledigen, am Ende doch nicht das Geld gewesen? War es ihm vielmehr darum gegangen, sein Museum mit außergewöhnlichen Funden aufzuwerten? Aber wie konnte er das bewerkstelligt haben? Immerhin waren Alber und Ferrari noch am Leben. Sie waren doch dabei gewesen, wussten, worum es sich bei dem Fund handelte. Er musste mehr erfahren. »Wirklich beeindruckend. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon einmal gesehen zu haben. Woher kommt die Statue?«
Sie winkte ab. »Das ist nun wirklich Betriebsgeheimnis. Davon abgesehen weiß ich das selbst nicht so genau. Jedenfalls werden Sie dieses und ähnliche Exponate bald bei uns bewundern dürfen. Und jetzt kommen Sie, gehen wir wieder zurück ins Museum.«
Die Auskunftsfreude der Frau war erschöpft. Vincenzo hatte im Gegenteil den Eindruck, dass sie ihre Offenheit im Nachhinein bereute. Allerdings konnte er die Frau zwingen, ihm mehr zu erzählen. Dazu musste er nur seine Dienstmarke zücken. Doch er hielt es für besser, seine Identität jetzt noch für sich zu behalten. Zumal es jemanden gab, der seine Fragen viel besser als diese Frau beantworten konnte: Andreas Kofer selbst.
* * *
Kofer empfing die drei Polizisten in seinem Haus mit hochrotem Kopf. Etwas musste ihn sehr aufgeregt haben. »Was wollen Sie schon wieder von mir? Sie gehen mir allmählich auf die Nerven.«
Auf der Fahrt ins Pflerschtal hatte sich Vincenzo überlegt, ob er Kofer auf die Goldstatue in seinem Safe ansprechen sollte, sich jedoch entschieden, zunächst abzuwarten, bis die deutschen Kollegen Hans Berchtenbreiter befragt hatten. Falls sich Wachtlers Vermutung, Gamper habe neben dem eingeschmolzenen Berggold auch anders strukturiertes Gold zum Verkauf angeboten, bestätigen sollte, wäre das ein Indiz dafür, dass sich auch solche Statuen unter dem Fund befunden hatten. Dann erst würde er in die Offensive gehen. Heute ging es vor allem um Kofers Fingerabdrücke auf der Wasserflasche aus dem Hotel Christine. »Vermutlich werden wir Ihnen noch häufiger auf die Nerven gehen müssen. Dürfen wir reinkommen?«
Widerwillig ließ Kofer die Polizisten eintreten und führte sie in ein großes Wohnzimmer mit offener Küche, das einen gehobenen Lebensstil erkennen ließ. Vincenzo schaute sich aufmerksam um. Die Wände bestanden teilweise aus Natursteinen in Ziegeloptik, auch in der Kaminecke, zu der von der Wohnhalle aus drei breite Stufen hinabführten. Eine Ledergarnitur lud dort zu gemütlichen Stunden vor prasselndem Kaminfeuer ein. Eine weitere, noch größere Garnitur derselben Art stand in der Wohnhalle,
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