Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Schmerzen. »Wenn ich ehrlich sein soll, ja, leider. Es gibt inzwischen zu viele Museen in Südtirol, die mehr zu bieten haben als wir. Unser Geschäftsführer, der Andreas Kofer, tut mir schon manchmal leid. Sein Museum ist sein Leben. Er leidet sehr unter dem Besucherschwund.«
Vincenzo wunderte sich, dass Kofers Angestellte so offen über die Probleme des Museums sprach. So etwas war eigentlich nicht für die Ohren zahlender Gäste bestimmt. »Ich habe mich schon gewundert, dass so wenig Menschen da sind. Aber was genau ist das Problem? Ist die Ausstellung zu langweilig?« Was hatte Wachtler gesagt? »… besonders wertvolle Stücke in seinen Rucksack gepackt, um sie für seine Ausstellung zu retten.« »Wenn ich ehrlich bin, habe auch ich schon interessantere Museen besucht. Gibt es hier denn kein bedeutendes Ausstellungsstück? Etwas, das die anderen Museen nicht unter ihren Exponaten haben?«
»Nun ja, hier hat sich schon lange nichts mehr getan. Alles ist noch so wie vor zehn Jahren. Während alle anderen Museen, vor allem die von Messner und das DoloMythos, sich permanent weiterentwickelt und investiert haben, bleibt bei uns alles beim Alten. Obwohl der Herr Kofer so oft auf Exkursionen ist, will ihm partout kein bedeutender Fund gelingen. Als wäre er vom Pech verfolgt.«
Vincenzo hatte das Gefühl, als läge Kofers Mitarbeiterin noch etwas anderes auf der Zunge, was sie sich nur nicht auszusprechen traute. Vielleicht konnte er sie ja aus der Reserve locken. »Bitte, nehmen Sie das nicht persönlich, aber ich frage mich, ob das wirklich nur Pech ist. Die anderen Museen sind doch auch erfolgreich. Kann es sein, dass Ihr Chef einfach nicht so gut ist wie seine Kollegen? Fehlt ihm vielleicht das richtige Näschen? Wie gesagt, das ist nur so ein Gedanke von mir.«
Sie sah den Besucher eine Weile von der Seite an. Er machte einen sympathischen Eindruck. Und was sollte schon groß passieren? Es ging ohnehin nur um ein paar Wochen. »So war es vielleicht bisher, aber jetzt steht uns eine goldene Zukunft bevor.«
Vincenzo wurde augenblicklich hellhörig. »Was meinen Sie damit? Hat Ihr Chef doch etwas gefunden?«
Sie begann zu flüstern. »Eigentlich darf ich darüber noch gar nicht sprechen.«
Vincenzo setzte sein charmantestes Lächeln auf. »Mir können Sie es doch erzählen. Ich bin sehr heimatverbunden und kann schweigen wie ein Grab. Außerdem freue ich mich immer, wenn sich ein Museum etwas Neues einfallen lässt. Es ist doch schließlich unsere gemeinsame Heimat, um die es hier geht.«
»Sie sind von hier?«
Vincenzo nickte. »Ja, ich komme aus Bozen. Und Sie?«
»Ich bin in Sterzing geboren. Aber Sie sind so ein dunkler Typ, da hätte ich eher auf Sizilien getippt.«
Der Commissario in Zivil lachte. »Mein Vater ist wie ich in Bozen zur Welt gekommen, aber seine Familie stammte aus dem Süden. Ich schätze, das Aussehen habe ich von ihm.«
Sie plauderten eine Weile über Belanglosigkeiten, bevor Vincenzo die Fährte wieder aufnahm. »Was hat es denn nun mit der goldenen Zukunft des Museums auf sich? Sie spannen mich aber ganz schön auf die Folter.«
»Also gut, dann kommen Sie mal mit, ich will Ihnen etwas zeigen. Aber behalten Sie das bloß für sich, sonst bekomme ich noch Ärger. Ich weiß ja selbst nicht, warum ich Ihnen vertraue, wo ich Sie doch gar nicht kenne.«
Vincenzo ging mit ihr durch einige Flure, bis sie sich einer Tür näherten, auf der »Privat« stand. Die Museumsmitarbeiterin schloss sie auf. »Schnell, kommen Sie herein.« Sie sperrte sofort wieder hinter ihnen zu.
Vincenzo blickte sich um. Es handelte sich um ein Büro, dessen Möbel ebenso überholt waren wie die Ausstellungsstücke des Museums. Die Frau ging zu einem großen Bild, das sich zur Seite drehen ließ und einen Tresor verbarg, den sie mit einer Zahlenkombination öffnete. »Hier bewahrt Herr Kofer vor allem Geschäftsunterlagen auf. Da er nicht immer vor Ort ist, hat er mir die Zahlenkombination anvertraut, falls mal etwas sein sollte, mit der Guardia di Finanza zum Beispiel.«
»Dann hat Herr Kofer großes Vertrauen zu Ihnen. Arbeiten Sie schon lange für ihn?«
Vorsichtig nahm sie etwas aus dem Tresor, das von einem Tuch bedeckt war, drehte sich langsam um und stellte den Gegenstand auf den Schreibtisch. »Von Anfang an. In gewisser Weise ist das Museum auch mein Leben. Ich leide unter der Situation wahrscheinlich nicht weniger als der Direktor. Er vertraut mir, ich bin seine rechte Hand. Wollen Sie
Weitere Kostenlose Bücher