Goldstein
eine Frau entführten, unglaublich!
»Warum ich hier bin? Wahrscheinlich wollen Sie eine Partie Doppelkopf spielen, und Ihnen fehlte der vierte Mann. Aber da muss ich Sie enttäuschen: Erstens bin ich eine Frau, und zweitens spiele ich nur Skat. Und dafür brauchen Sie mich ja nicht. Darf ich wieder gehen?«
»Bewundernswert, dass Sie in dieser Situation noch solchen Humor aufbringen.«
»In welcher Situation? Vielleicht klären Sie mich mal auf, was das für eine Situation ist. Bislang habe ich nur Straftatbestände feststellen können: Hausfriedensbruch, Bedrohung, Freiheitsberaubung. Aber welchen Sinn das Ganze hat, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht. Wollen Sie Geld erpressen? Ich muss Sie enttäuschen: So reich sind meine Eltern nicht.«
»Schade. Ich hatte gedacht, unsere kleine Aktion spräche für sich selbst. Es geht darum, Sie vor einer großen Dummheit zu bewahren. Wir haben Grund zu der Annahme, Sie könnten sich einbilden, Polizeileutnant Tornow an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit gesehen zu haben, obwohl Tornow sich dort – wie mehrere Zeugen bestätigen können – zu dieser Zeit gar nicht befand.«
»So umständlich, wie Sie sich ausdrücken, sind Sie entweder Bulle oder Jurist.«
Der Mann lächelte. »Sind Sie nicht auch von beidem ein bisschen? Mit Betonung auf bisschen .«
Jetzt fiel Charly endlich ein, woher sie den Wortführer zu kennen glaubte, auch wenn sie sich nicht ganz sicher war. »Glauben Sie etwa, Sie kommen damit durch? Sie haben mich entführt! Und auch wenn ich nicht weiß, wohin Sie mich hier gebracht haben, weiß ich doch, wem ich das zu verdanken habe.«
»Uns ist schon bewusst, dass Sie Leutnant Tornow kennen. Aber der ist eigentlich gar nicht hier, verstehen Sie. Und Sie haben ihn nie im Hansaviertel gesehen.«
»Ich kenne auch Sie, Oberkommissar Scheer. Ich hoffe, Sie haben sich auch um ein Alibi für sich selbst gekümmert.«
Für einen Moment schien das den Mann in der Mitte tatsächlichzu verunsichern. Er war es also wirklich. Rudi Scheer, sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen und ein wenig ins Blaue geraten. Rudi Scheer, der Mann, der einmal die Waffenkammer am Alex geleitet hatte und dann wegen Waffenschmuggels kaltgestellt und strafversetzt worden war.
»Sie scheinen eine gute Beobachtungsgabe zu haben«, sagte Scheer jetzt. »Allerdings bin auch ich eigentlich gar nicht hier. Genau wie Wachtmeister Klinger hier neben mir.«
Damit meinte er den Fahrer. Dass er Namen und Dienstgrad so bereitwillig nannte, sollte wohl die Selbstgewissheit dieser drei da vorne demonstrieren, dass nichts und niemand sie für diese Entführung am helllichten Tag zur Verantwortung würde ziehen können.
»Da Sie sich also das alles hier nur einbilden, Fräulein Ritter«, sagte Tornow jetzt, »können Sie uns auch mitteilen, was Sie alles wissen. Und was Gereon Rath alles weiß. Und ob Sie Beweise haben. Was haben Sie in Kuschkes Wohnung gefunden?«
»Ich weiß vor allem eines«, sagte Charly: »Dass Sie mit so einer Aktion nicht ungestraft davonkommen werden.«
»Es gehören einflussreiche Leute zu unserem Kreis. Unterschätzen Sie uns nicht!« Tornow lächelte. Wie freundlich der Mann klingen konnte. Selbst in solch einer Situation.
»Und deswegen bilden Sie sich ein, dass Sie über dem Gesetz stehen?« Charly redete sich in Rage. »Wissen Sie, was Sie sind, Herr Scheer? Nichts als ein mieser, dreckiger Waffenschmuggler! Man hätte Ihnen damals das Handwerk legen sollen, anstatt Sie nur zur Baupolizei Charlottenburg zu versetzen.«
Scheer schaute sie belustigt an.
»Sie haben mich entführt«, fuhr Charly fort, »glauben Sie, damit durchzukommen? Oder wollen Sie mich am Ende töten, um das zu vertuschen? Meinen Sie nicht, dass Gereon Rath schon längst weiß, was passiert ist und wer alles dahintersteckt?«
Das hoffte sie jedenfalls.
»Was Gereon Rath weiß und was nicht, genau das sollen Sie uns sagen«, meinte Scheer. »Und um Ihr Leben müssen Sie nicht fürchten. Wir werden Ihnen kein Haar krümmen, das ist überhaupt nicht nötig. Sie sollten vielleicht wissen, dass wir im Ernstfall vor dieser Option nicht zurückschrecken, doch setzen wir auf Ihre Vernunft. Sie wollen sich doch garantiert nicht lächerlich machen. Und Ihre Karriere aufs Spiel setzen.« Er versuchte zu lächeln, was ihm aber nicht so gut gelang wie Tornow. »Sie werden die nächste Zeit keinen Schlaf mehr finden, das macht durchaus redselig, wissen Sie das?«
Charly
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