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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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etwas sagen zu wollen, schluckte es dann aber hinunter und kümmerte sich weiter um die Kamera. Böhm ließ ihn stehen und ging zu Doktor Schwartz hinüber, für den man die Leiche ein wenig aus dem Gebüsch herausgezogen hatte.
    Der Gerichtsmediziner konnte ihre bisherigen Erkenntnisse bestätigen. »Den hat man aufgebrochen wie ’ne Wildsau«, sagte Schwartz in seiner bekannt mitfühlenden Art. »Dabei dürften einige innere Organe verletzt worden sein.«
    »Wie lange ist er schon tot?«
    Schwartz zuckte die Achseln.
    »Ich werde Sie nicht darauf festnageln«, versprach Böhm.
    »Keine zehn Stunden, würde ich sagen.« Der Doktor schaute die Leiche unentwegt an, als wolle er sie wieder zum Leben erwecken. »Wobei das nicht heißt, dass er sich die Verletzungen nicht deutlich früher zugezogen hat. Wahrscheinlich hat es etwas gedauert, bis er verblutet ist. Der Blutmenge nach zu urteilen, die er verloren hat, muss sein Herz noch eine ganze Weile geschlagen haben.«
    »Und der Schuss in den Fuß?«
    »Harmlos.« Schwartz hörte sich an, als spreche er von einem Schnupfen. »Tut weh, und eventuell hinken Sie nach so einer Verletzung den Rest Ihres Lebens«, sagte er. »Aber sonst ... Damit hätte der Mann ohne Probleme ins nächste Krankenhaus humpeln und sich behandeln lassen können, allerdings ...«
    »Was allerdings?«, fragte Böhm.
    »Ich weiß nicht, ob man ihn da mit wirklicher Begeisterung aufgenommen hätte.«
    »Was meinen Sie?«
    Schwartz zeigte auf die Hakenkreuzarmbinde. »Das nächste Krankenhaus«, sagte er, »ist das der Jüdischen Gemeinde.«
    Böhm nickte. In diesem Augenblick fing es an zu regnen. Der Doktor gab den Leichenbestattern, die schon ungeduldig warteten, einen Wink, und die sterblichen Überreste von Gerhard Kubicki verschwanden in einem Zinksarg.
    36
    D ie Werkstatt lag weit draußen im Norden, aber die Aussicht, bald wieder Auto fahren zu können, ließ ihn die lange U-Bahn-Fahrt geduldig ertragen. Die zweite Klasse war nicht besonders voll, die meisten, die auf dieser Linie fuhren, begnügten sich mit der dritten. Rath holte das Zigarettenetui aus dem Mantel und steckte sich eine Overstolz an. Er dachte nach über Böhms Vortrag: Kallweit, der Hehler, war vor seinem Tod gequält worden. Hatte die Berolina ein Geheimnis, hinter das die Nordpiraten kommen wollten? Das wiederum könnte bedeuten, dass Hugo Lenz womöglich in irgendeinem Keller im Berliner Norden saß und sich von den Piraten terrorisieren lassen musste. Wenn Rath an die Besprechung der Mordinspektion vorhin dachte, war er Johann Marlow richtiggehend dankbar dafür, dass der ihm ein bisschen Ermittlungsarbeit beschert hatte. Da hatte er wenigstens etwas, über das er nachdenken konnte, während er sich im Excelsior langweilte: das mysteriöse Verschwinden des roten Hugo.
    Einen Moment hatte Rath tatsächlich geglaubt, Gennat würdeihm den Leichenfund am Humboldthain anvertrauen, dann aber hatte doch Böhm den Fall bekommen, zusätzlich zu seinem toten Hehler. Weiß schien den Buddha gut instruiert zu haben: Kommissar Rath bitte bis auf Weiteres nicht mit Mordfällen betrauen! Obwohl der Buddha Leute brauchte, bei der Zahl der Todesfälle, die die Inspektion A im Moment zu bearbeiten hatte. Wahrscheinlich hatte Charly doch recht, und die Goldsteinobservierung war eine Strafarbeit, mit der Weiß ihn persönlich treffen wollte. Anders war auch der Auftrag kaum zu erklären, mit dem Gennat ihn zurück ins Excelsior geschickt hatte.
    Ein Schaffner fragte nach den Fahrscheinen, und Rath zeigte seinen Polizeiausweis. Die Bahn war schon im Wedding. Rath musste bis zur Endstation an der Seestraße, und von dort waren es immer noch fast zwei Kilometer mit der Straßenbahn. Jotwede also, wie der Berliner sagte.
    Eine halbe Stunde später hatte er sein Ziel endlich erreicht. Die Werkstatt sah bei Tageslicht schmutziger aus, als Rath sie in Erinnerung hatte. Er überquerte den Hof und betrat die Halle durch eine weit geöffnete Stahltür. Kein Mensch beachtete ihn. Ein Mercedes stand auf der Hebebühne, darunter schraubte ein Mechaniker, vier weitere Männer standen um einen ausgebauten Motorblock herum und diskutierten irgendein technisches Problem. Rath hüstelte vernehmlich, was niemanden aus der Ruhe brachte. Er schaute sich um, nahm einen großen Schraubenschlüssel von einem ölverschmierten Tisch, hob ihn so hoch wie möglich und ließ ihn auf den Betonboden knallen. Der metallische Gong war lauter als alle anderen Geräusche

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