Goldstein
in der Halle, die Männer drehten sich zu ihm um.
»Was wollen Sie denn hier?«, fragte einer aus der Motorblockgruppe, »Auftragsannahme is nebenan im Büro.«
»Ich will keinen Auftrag erteilen, ich will meinen Wagen abholen.«
»Da müssense auch nach nebenan.«
Das Büro war verwaist. Rath schaute auf die Uhr. So langsam wurde es Zeit, er konnte Gräf im Excelsior nicht ewig warten lassen. Er schlug auf die Glocke auf dem Schreibtisch, nichts geschah. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er eine Klosettspülung, und aus dem Hinterzimmer trat ein gelangweilt guckender Mann, eine Autozeitung in der Hand.
»Man immer mit die Ruhe!« Das war das Erste, was der Mann sagte.
»Ich wollte meinen Wagen abholen.«
»Auftragsnummer?«
»Keine Ahnung. Der Buick, den ich vorgestern Nacht zu Ihnen gebracht habe. Ein Notfall. Heute Morgen sollte er fertig sein, hat Ihr Kollege gesagt.«
»Welcher Kollege?«
»So’n Blonder. Glattrasiert. Ist doch auch egal.«
»Ein Buick, sagen Sie?«
»Modell Sechsundzwanzig Es. Sandfarben.«
Der Mann blätterte betulich durch einen Papierstapel auf dem Schreibtisch.
»Nee, hier ist kein Buick.«
»Aber der Wagen steht draußen, ich hab ihn gesehen.«
»Dann isser wohl noch nicht repariert.« Der Mann griff zum Telefon auf dem Schreibtisch. »Heinz, kommst du mal«, sagte er in die Muschel.
»Das kann nicht sein«, meinte Rath, »der Wagen sollte heute fertig sein. Ihr Kollege hat’s mir versprochen; ich brauche den Wagen. Beruflich.«
Von dem Mann am Schreibtisch kam nur ein Achselzucken. Einige Minuten später, in denen Rath vor allem den Drang bekämpfen musste, den Schnarchnasen hier mit seiner Walther ein bisschen Dampf zu machen, stand genau der Blaumann im Büro, der ihn vorhin aus der Werkstatt gejagt hatte. Jetzt kaute er auf einer Wurststulle herum.
»Der Buick«, sagte Heinz und blätterte durch den zweiten Papierstapel auf dem Schreibtisch. »Stimmt«, sagte er dann, als fiele es ihm gerade wieder ein, »der Vergaser!«
»Wie, der Vergaser? Ich brauchte vier neue Reifen, neue Scheinwerfer und ein paar Ausbesserungen am Lack. Mehr nicht!«
»Wir hatten Ihren Wagen auf der Bühne, der Vergaser muss dringend ausgewechselt werden, da hilft nix. Haben Sie denn noch nichts gemerkt, während der Fahrt?«
Rath schüttelte den Kopf. Der Vergaser! Schöne Scheiße. Den sollte mal ruhig auch der Freistaat Preußen zahlen. »Bis wann haben Sie das denn repariert?«, fragte er.
»Müssen erst mal Ersatzteile bestellen«, sagte Heinz, der Blaumann, biss noch einmal von seiner Stulle ab und kratzte sich am Kopf. »Und das dauert seine Zeit. Ist ja’n Ami.«
»Schön, dass Sie das auch schon gemerkt haben! Also, wann kann ich den Wagen haben?«
»Na, ick würd mal sagen, Donnerstag könnte hinhauen.«
»Schön. Aber wehe, ich komme morgen wieder umsonst hier raus und ...«
»Morgen?« Heinz hatte seinen dämlichsten Blick aufgesetzt. »Doch nicht morgen. Nächste Woche Donnerstag.«
»Sagen Sie mal, wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ich brauche mein Auto! Beruflich!«
»Wir können Ihnen selbstverständlich ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen«, meldete sich der Mann am Schreibtisch. »Heinz, würdest du dem Kunden bitte einen Wagen geben.«
Der Blaumann schob sich den Rest seines Brotes in den Mund und führte den Kunden hinaus auf den Hof, vorbei an dem lädierten Buick. Alle vier Reifen waren immer noch platt.
»Hatten Sie den Wagen wirklich auf der Bühne?«, fragte Rath, doch der Blaumann schien ihn nicht zu hören. Er ging an allen Fahrzeugen vorbei, die Rath sich als Mietwagen durchaus hätte vorstellen können, bog an der Werkstatthalle scharf um die Ecke und blieb dann stehen.
»Hier isser ja«, sagte er.
Rath glaubte zu träumen. Ein Zyklop starrte ihn an, ein zu Zwergengröße geschrumpfter Zyklop.
»Was ist das denn?«, fragte er den Blaumann.
»Ein bisschen Blech, ein bisschen Lack, fertig ist der Hanomag.«
Das Auto, das da einäugig, klein und verschüchtert in der Ecke stand, war sozusagen der Gegenentwurf zu Marlows Duesenberg. Das zeigte sich nicht nur an den mickrigen zehn PS, die der Winzling unter der Haube hatte, sondern auch daran, dass sein Konstrukteur ihm nur einen Scheinwerfer gegönnt hatte. Und eine einzige Tür. Eindruck schinden konnte man mit so einem Wagen nicht. Höchstens Mitleid erregen.
»Das ist doch nicht Ihr Ernst?«, meinte Rath.
»Ist’n solides Fahrzeug«, sagte der Blaumann und klang beinah entrüstet,
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