Golem - Golem - Genome, Inc.
gedämpfte klassische Musik durch die Stuckdecke hören.
Es war Zeit.
Noch immer auf dem Schlitten liegend, griff Queen Elizabeth hinter sich und holte eine kleine, elektrisch betriebene Winde aus dem Sportbeutel. Ein geflochtenes Nylonseil lag auf der Winde. Elizabeth befestigte das Gerät mit vier Klemmen an der Schiene vor sich. Nachdem die Winde angebracht war, griff sie noch einmal in den Sportbeutel, holte einen kleinen Bohrer hervor, setzte ihn vorsichtig an der Decke unter sich an und schaltete ihn ein. Jaulend fraß der Bohrer sich in den Putz und war nach zwanzig Sekunden auf der anderen Seite angelangt. Langsam zog Elizabeth den Bohrer wieder heraus. Ein Loch von einem halben Zoll Durchmesser war entstanden.
Elizabeth hockte im Dunkeln. Das einzige Licht fiel durch das winzige Bohrloch unter ihr.
Sie nahm einen LCD-Monitor von der Größe eines Taschenbuchs aus dem Beutel. Ein optisches Kabel hing daran. Dieses Kabel schob Elizabeth nun durch das Bohrloch. Dann schaltete sie den Monitor ein. Die winzige Kamera lieferte ein gestochen scharfes Schwarz-Weiß-Bild. Der Raum, der dreißig Meter unter Elizabeth lag, war genau so, wie auf den Bauplänen abgebildet: ein perfektes Rechteck mit zwei einander gegenüberliegenden Türen an den kurzen Seiten. Sechs Sofas standen an den Wänden, während die Mitte des Raumes frei war. Langsam schwenkte Elizabeth die Kamera, um sich weitere Einzelheiten der Galerie anzuschauen. Je zwei Wachmänner waren an den Türen postiert und beobachteten gelangweilt die gut zwanzig anwesenden Personen.
Elizabeth wandte sich nun den Gemälden zu. Die Renoirs hingen an der Wand, die der Tür am nächsten war. Daneben sah sie mehrere Plastiken von Rodin und einen van Gogh.
Und dort, im Zentrum der Galerie, hingen Monets Seerosen.
Elizabeth hatte die Seerosenserie schon immer für Monets Meisterwerk gehalten. Sie feierten die Schönheit der Natur. Doch heute Nacht war vor allem ihr Gewicht von Interesse. Genauer gesagt, das Gewicht der Farben, der Leinwand und des Rahmens.
Die Leinwand bestand aus doppellagigem belgischem Leinen und war auf vier Hölzer gespannt, die vermutlich aus einem eher leichten Holz gefertigt waren – wie etwa Pinienholz, das man in der Gascogne fand, wo Monet zu jener Zeit gearbeitet hatte. Diese Hölzer machten den größten Teil vom Gewicht des gesamten Gemäldes aus.
Was Queen Elizabeth jedoch vor allem an der Kunst faszinierte, waren die Farben. Zu Monets Zeiten waren sie noch nicht künstlich hergestellt worden, sondern wurden aus unterschiedlichen natürlichen Komponenten gemischt, beispielsweise Leinsamenöl oder zu Pulver zermahlenen, getrockneten Insekten. Somit waren sie wesentlich schwerer als moderne Farben; Monet hatte für das Gemälde vermutlich fünf- bis sechshundert Milliliter gebraucht. Das machte ungefähr zweihundertdreißig Gramm.
Das eigentliche Gewicht des Meisterwerks wurde jedoch weder von Leinwand noch von Farbe bestimmt, sondern vom Rahmen. In diesem Fall bestand er aus zwei Zoll dicker, vergoldeter Eiche, die überdies reich verziert war. Eiche war ein sehr hartes Holz, und das Gewicht des Rahmens allein betrug knapp fünfundsiebzig Pfund.
Queen Elizabeth schaute auf die Uhr. Ihr blieben noch zwanzig Minuten. Sie blickte wieder auf den Monitor und strich mit der Hand über das Bild des Monets auf dem Monitor.
Bald würde sie das Original berühren.
Im Sicherungsraum beugte sich Kriegsadmiral, der den Overall inzwischen ausgezogen hatte und nun einen Smoking trug, über den Karren und holte ein weißes Tischtuch hervor. Damit deckte er den Karren ab und stellte zwei Tabletts mit Hors d’Oeuvres darauf. Schließlich schob er den Karren wieder aus dem Sicherungsraum, durch den Servicebereich und in die große Eingangshalle.
Grand Bleu stand auf der anderen Seite der Tür und betrachtete einen Max Ernst. Er trug einen eleganten Smoking und über dem Arm eine weiße Serviette. Wortlos nickte er Kriegsadmiral zu und nahm ihm den Karren ab. Kriegsadmiral schaute zu, wie Grand Bleu durch den Gang in Richtung derInstrumentensammlung ging. Dann drehte er sich um, ließ kurz den Blick über die Gäste schweifen, stellte sicher, dass niemand ihn beobachtete, und verschwand in der Menge.
Hoch über der Impressionistengalerie vibrierte die Uhr an Queen Elizabeths Handgelenk. Die Leuchtziffern glühten in der Dunkelheit. Noch fünf Minuten bis Mitternacht. Elizabeth rutschte ein Stück vor und machte einen Karabinerhaken erst an
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