GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
Erfinder sie beschrieben hatte. »Goliath ist eine Art Tesla-Kanone, eine, die mit dem Magnetfeld der Erde verschmilzt. Sie schießt die Energie des Planeten durch die Atmosphäre rund um die Welt. Wie die Nordlichter, hat er gesagt, nur eine Million Mal stärker. So wie er es beschrieben hat, muss hier sogar die Luft gebrannt haben!«
»Ich verstehe.« Volger seufzte leise. »Oder eigentlich verstehe ich gar nichts. Vielleicht ist es nur ein Fall von Wahnsinn.«
»Gewiss«, meinte Alek und spürte, wie er ruhiger wurde. Der Gedanke, Tesla zu ermorden, um ein solches vorgestelltes Ereignis zu verhindern, war einfach zu absurd. »Ich werde Klopp fragen, was er davon hält. Und Dr. Barlow wird ohne Zweifel ebenfalls eine Meinung dazu haben.«
»Ohne Zweifel«, sagte Bovril nachdenklich.
Graf Volger deutete mit der Hand auf das Tierchen. »Ist das alles , was diese Abscheulichkeit macht? Nach dem Zufallsprinzip Wörter wiederholen?«
»Zufallsprinzip«, wiederholte Bovril und gluckste leise.
Alek bückte sich und kraulte dem Tier das Fell. »Das habe ich zunächst auch gedacht. Aber Dr. Barlow behauptet, das Tierchen sei« – er benutzte das englische Wort – » perspikuitiv . Und tatsächlich macht es dann und wann einen guten Vorschlag.«
»Selbst eine Uhr, die stehen geblieben ist, zeigt zweimal am Tag die richtige Zeit«, murmelte Volger. »Sicherlich waren diese Wesen nur ein Vorwand, um in Istanbul herumzuschnüffeln. Die Darwinisten hatten von vornherein den Plan, den Behemoth in den Bosporus zu bringen.«
Alek nahm das Tierchen wieder auf die Schultern. In Istanbul hatte er ganz ähnlich gedacht. Doch heute Morgen im Frachtraum hatte das Tier sich Dr. Barlows Halskette geliehen und ihnen gezeigt, wie die geheimnisvolle Apparatur funktionierte.
Damit war es auf gar keinen Fall dem Zufallsprinzip gefolgt.
Allerdings erwähnte Alek dies nicht. Es hatte keinen Zweck, den Wildgrafen wegen des Tierchens noch nervöser zu machen.
»Vielleicht habe ich Goliath nicht verstanden«, sagte er einfach. »Aber die Schöpfungen der Darwinisten verstehe ich noch weniger.«
»Am besten belassen Sie es dabei«, meinte Volger. »Sie sind der Erbe des österreichischen Throns, nicht irgendein Zoowärter. Ich rede mit Klopp über die Angelegenheit. In der Zwischenzeit befolgen Sie Dylans Rat und schlafen ein wenig.«
Alek zog eine Augenbraue hoch. »Sie wollen doch nicht, dass ich auf Schleichtour gehe wie ein Bürgerlicher?«
»Wenn Tesla die Wahrheit sagt, droht Ihrem Land eine große Gefahr. Es ist Ihre Pflicht, so viel wie möglich darüber in Erfahrung zu bringen.« Graf Volger starrte ihn einen Moment an, und sein Gesicht drückte eine gewisse Niedergeschlagenheit aus. »Außerdem, Hoheit, kann eine Schleichtour im Dunkeln höchst erhellend sein.«
Auf dem Weg zu seiner Kabine spürte Alek erneut, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Der Perspikuitive Loris fühlte sich schwer auf seiner Schulter an, und in seinem Kopf polterten zu viele Gedanken durcheinander – Bilder von dem zerstörten Wald unter dem Schiff; der Wahnsinnige, der das Österreichisch-Ungarische Reich zerstören konnte, und die entsetzliche Möglichkeit, dass Alek dies vielleicht mit einem Messer verhindern musste.
Aber als er auf sein Bett sank, entdeckte er dort Volgers Zeitung und schlug die Geschichte über Dylan auf.
Volger hatte sich heute eigenartig benommen, als seine Fragen zwischen Teslas Waffe und Dylan hin und her gesprungen waren. Sie müssen sich gestritten haben, doch worüber?
Alek nahm die Zeitung und starrte auf die Fotografie, auf der sich Dylan am Rüssel des Unerschrockenen nach unten schwang. Natürlich hatte der Wildgraf diese Geschichte ebenfalls gesehen. Er hatte jede Zeitung, die Barlow ihm zukommen ließ, von Anfang bis Ende durchgelesen.
»Wissen Sie etwas, dass Sie nicht wissen sollten, Volger?«, fragte Alek leise. »Streiten Sie sich deswegen immer mit Dylan?«
»Streiten«, wiederholte Bovril nachdenklich. Dann krabbelte er von Aleks Schulter aufs Bett.
Alek starrte das Tierchen an und rief sich in Erinnerung, was im Laderaum passiert war. Das Tier hatte die ganze Nacht auf Klopps Schulter gesessen, gelauscht und mit Wörtern wie »Magnetismus« und »elektrisch« gespielt. Und dann hatte er Dr. Barlow die Halskette abgenommen und den Zweck der eigenartigen Apparatur demonstriert.
So funktionierte die Perspikuität des Tierchens. Es hörte zu und schlang anschließend alle Einzelfäden zu
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