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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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Sir?«
    Sie sah die Schiffswachen an, die draußen warteten – nahe genug, damit ihnen überraschte Ausrufe nicht entgehen würden.
    »Ich fürchte nicht«, sagte Alek. »Er hat eine … Hautkrankheit. Vielleicht könnten Sie die Maße bei mir nehmen und sie ein wenig anpassen.«
    Der Schneider runzelte die Stirn. »Aber Sie sind kleiner, Sir.«
    » So viel kleiner auch wieder nicht«, meinte Alek und hörte Bovril glucksen.
    Der Schneider verneigte sich elegant und zog eine Schnur zwischen den Händen auseinander. Alek zog seine Jacke aus, drehte sich um und breitete die Arme auseinander.
    Deryn lehnte sich zurück und schaute zu. Zum ersten Mal seit Tagen sah Alek ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
    Nachdem die Schneider Maß genommen hatten, sagten sie, Alek und Deryn sollten in zwei Stunden zurückkommen. Deryn ging unbeirrt den Weg zu dem Essensstand zurück, den sie auf dem Hinweg gesehen hatten, und bald saßen sie auf einer langen Bank mit Blick auf die Köche und Schulter an Schulter mit anderen Gästen. Die Schiffswachen nahmen Position hinter dem Stand ein und beobachteten sie aus der Entfernung.
    Ein Dutzend Nudeltöpfe brodelte auf den Dampfkesseln, unter denen, wie Deryn sagte, ein Öl brannte, das aus Erdnussschöpfungen hergestellt wurde. Der Geruch dieses Brennstoffs vermischte sich mit dem salzigen Aroma von Lachsscheiben, die mit Orange umrandet waren, schwarzer Essigsauce in kleinen Schüsseln und winzigen getrockneten Fischen, die sich zu silbernen Halbmonden aufgerollt hatten.
    Während Deryn sich pantomimisch mit den Köchen verständigte, fiel Alek auf, wie hungrig er war. Er schaute den anderen Gästen zu, wie sie mit Stäbchen aßen, und wünschte sich, er hätte ein Messer und eine Gabel aus der Messe der Leviathan mitgebracht.
    »Hast du es gehört?«, fragte Deryn. »Das Treffen wurde ins Imperial Hotel verlegt.«
    »Warum in ein Hotel?«
    »Es hat ein brüllendes Theater! Anscheinend will der Botschafter der ganzen Welt verkünden, dass der große Nikola Tesla die Seiten gewechselt hat.« Deryn sah sich ihre Essstäbchen an. »Vielleicht kriegen die Mechanisten dann das große Zittern.«
    »Hoffentlich«, sagte Alek. Vor ihnen wurden zwei Schälchen abgestellt. Auf den Nudeln thronte ein Klecks weißen Breis und eine Reihe winziger orangefarbener Kugeln, die so durchscheinend waren wie Rubine. Bovril bekam einen Teller mit frischem Lachs.
    Während das Tierchen zu futtern begann, starrte Alek sein Essen nur an. »Was hast du uns bestellt?«
    »Keine Ahnung«, sagte Deryn und nahm einen Holzlöffel. »Es sah gut aus, deshalb habe ich einfach darauf gezeigt.«
    Alek nahm seine Stäbchen und versuchte, damit eine der perligen Kugeln zu erwischen. Die erste platzte, doch die zweite bekam er in den Mund. Sie explodierte wie ein winziger Ballon zwischen den Zähnen und schmeckte nach Salz und Fisch.
    »Es ist Kaviar in Übergröße.«
    »Was ist was?«, fragte Deryn.
    »Fischrogen.«
    Sie runzelte die Stirn, aß allerdings wegen der Enthüllung nicht langsamer.
    Alek probierte von der weißen Substanz, die, wie sich herausstellte, ein Brei aus zerhacktem Meerrettich war. Außerdem gab es Scheiben einer perlweißen Frucht, die so bitter schmeckte wie Zitronenschale. Er rührte mit den Stäbchen um und vermischte die scharfen Aromen von Meerrettich, Zitrusfrucht und Fischeiern mit den dicken Buchweizennudeln.
    Während er aß, konnte sich Alek endlich auch die Stadt genauer anschauen. Die Dächer von Tokio waren geschwungen und gebogen wie Wellen im Ozean, Dachziegel aus Ton bildeten die gekräuselte Oberfläche. In den Fenstern drängten sich Miniaturen von Bäumen, deren knorrige Formen den Strichen der Kalligrafien ähnelten, mit denen die Geschäfte geschmückt waren. Rankengewächse bildeten Baldachine und blühten rosa, und überall hingen Papierlampen und schaukelten im Wind.
    »Recht hübsch eigentlich, wenn man bedenkt«, sagte Alek.
    »Wenn man was bedenkt?«
    »Dass diese gleiche Kultur auch die schrecklichen Kappa hervorgebracht hat.«
    »Nicht so schrecklich wie eine Phosphorbombe, wenn du mich fragst.«
    Alek zuckte mit den Schultern, denn er war nicht in der Stimmung, nochmals dieselbe Diskussion zu führen, die er schon mit Tesla gehabt hatte. »Du hast recht. Töten ist schrecklich, in welcher Form auch immer. Deshalb müssen wir ja diesen Krieg beenden.«
    »Ich glaube, es ist nicht deine Pflicht, die Welt zu retten, Alek. Vielleicht war es der Mord an deinen Eltern, der die

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