Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra
Immobilienvermögen hat einen Wert von siebenhundertfünfzig Milli onen Euro. Die Liste ist erschreckend lang. Im Zuge des »Sparta-cus«-Prozesses wurden hundertneunundneunzig Gebäude, zweiundfünfzig Grundstücke, vierzehn Gesellschaften, zwölf Pkws und drei Schiffe beschlagnahmt. Im Zuge eines Verfahrens im Jahr 1996 konfiszierte man Vermögensgegenstände Schiavones und seiner Treuhänder im Wert von insgesamt vierhundertfünfzig Milliarden Lire: Betriebe, Wohnhäuser, Grundstücke, Gebäude und Wagen der gehobenen Klasse (unter anderem der Jaguar, in dem Sandokan bei seiner ersten Verhaftung saß). Beschlagnahmen, die jeden anderen Betrieb ruiniert, jeden anderen Unternehmer an den Bettelstab gebracht hätten - massive Keulenschläge, der Ruin jedes gewöhnlichen Konzerns. Nicht so beim Kartell der Casalesen. Wenn ich las, daß Immobilien beschlagnahmt wurden, wenn ich die Liste mit den Vermögenswerten durchging, die die Antimafia-Behörden konfisziert hatten, erfaßte mich eine tiefe Mutlosigkeit, denn wohin ich auch blickte, alles schien ihnen zu gehören. Buchstäblich alles. Ländereien und Büffel, Gutshöfe und Steinbrüche, Kiesgruben, Autostellplätze und Käsereien, Hotels und Restaurants. Die Camorra war allmächtig. Es gab einfach nichts, was nicht ihr gehörte.
Besonders ein Unternehmer stand für diese Allmacht, für die Herrschaft über alles und jeden: Dante Passarelli aus Casal di Principe. Bereits vor Jahren wurde er wegen Zugehörigkeit zu einer camorristischen Vereinigung verhaftet, als Kassenführer des casalesischen Clans vor Gericht gestellt und gemäß Artikel 416 b des Strafgesetzbuchs zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Er war nicht einfach nur einer von zahllosen Unternehmern, die mit den Clans und durch sie Geschäfte machten. Passarelli war der Unternehmer par excellence, die Nummer eins, das erste und zuverlässigste Glied der Kette. Der ehemalige Wursthändler galt als ausgesprochenes Finanzgenie, weshalb er, so die Anklage, dazu auserkoren wurde, sich um die Investition eines Teils des Clankapitals zu kümmern. Er stieg zum Grossisten und dann zum Industriellen auf. Der Nudelfabrikant wurde zusätzlich Bauunternehmer, später kamen Zuckerfabriken und Cateringfirmen und schließlich der Fußball hinzu. Nach einer Schätzung der Antimafia-Behörde DIA betrugen seine Vermögenswerte zwischen dreihundert und vierhundert Millionen Euro. Ein Großteil davon stammte aus Aktienbeteiligungen und beträchtlichen Marktanteilen im Agrar- und Lebensmittelsektor. Ihm gehörte Ipam, eine der größten Zuckerfabriken Italiens. Seine Cateringfirma Passa-relli Dante & Figli belieferte die Krankenhäuser von Santa Maria Capua Vetere, Capua und Sessa Aurunca; er besaß Hunderte von Wohnungen, Geschäfts- und Handelsniederlassungen. Nach seiner Verhaftung am 5. Dezember 1995 wurden folgende Vermögensgegenstände eingezogen: neun Gebäude in Villa Literno, eine Wohnung in Santa Maria Capua Vetere, eine weitere in Pinetamare; ein Gebäude in Casal di Principe. Außerdem: Grundstücke in Castelvolturno, Casal di Principe, Villa Literno und Cancello Arnone; der Agrarkomplex La Balzana in Santa Maria La Fossa mit zweihundertneun Hektar Land und vierzig landwirtschaftlichen Gebäuden. Und dann sein größter Stolz, die Luxusjacht Anfra III mit Dutzenden von Zimmern, Parkettböden und Whirlpool, die in Gallipoli vor Anker lag. Auf diesem Schiff hatte Sandokan mit seiner Ehefrau eine Kreuzfahrt zu den griechischen Inseln unternommen. Im Zuge der Ermittlungen sollten weitere Vermögensgegenstände beschlagnahmt werden, doch dann, im November 2004, nach Verbüßung seiner Haftstrafe, wurde er tot aufgefunden; er war vom Balkon eines seiner Häuser gestürzt. Seine Frau hatte die Leiche gefunden, mit zertrümmertem Schädel und gebrochenem Rückgrat. Die Ermittlungen dauern an. Bis heute ist unklar, ob es ein Unfall war oder ob ein bestens bekannter Unbekannter den Unternehmer vom Balkon des noch im Bau befindlichen Hauses gestoßen hatte. Nach seinem Tod gingen sämtliche Vermögenswerte, die der Staat konfisziert hatte, an seine Familie zurück. Passarellis Schicksal war das eines Kaufmanns, der eine besondere Hand für die Vermehrung des ihm anvertrauten Kapitals besaß. Und wie er dieses Kapital vermehrt hatte! Dann begannen die Schwierigkeiten, die gerichtlichen Untersuchungen, und es gelang ihm nicht, sein Vermögen vor der Beschlagnahme zu schützen. Sein unternehmerisches Genie hatte ihm ein
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