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Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Titel: Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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1992 machte die Führungsriege des Clans dem Spaltungsversuch von Antonio Rocco, dem Capo von Mugnano, ein Ende, als sie, mit Maschinenpistolen und Handgranaten bewaffnet, die Bar Fulmine stürmten und fünf Personen umbrachten. Um seine Haut zu retten, erklärte Rocco sich zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft bereit. Zweihundert Personen, die ins Visier der Di Lauro geraten waren, wurden unter Polizeischutz gestellt. Aber Roccos Reue erbrachte nichts. Seine Aussagen konnten der Führungsebene des Bündnisses nichts anhaben.
    Diesmal dagegen waren die Männer von Cosimo Di Lauro allmählich beunruhigt, wie ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft von Neapel vom 7. Dezember 2004 zeigt. Die beiden Clanmitglieder Luigi Petrone und Salvatore Tamburino besprechen am Telefon die Kriegserklärung, den Mord an Mon-tanino und Salerno.
    Petrone: »Sie haben den Fulvio umgelegt.«
    Tamburino: »Aha ...«
    Petrone: »Hast du kapiert?«
    Die Strategie des Kampfes, die nach Meinung Tamburinos von Cosimo Di Lauro vorgegeben ist, beginnt sich abzuzeichnen. Jeden einzelnen fassen und umbringen, notfalls auch mit Handgranaten.
    Tamburino: »Wirklich Handgranaten? Cosimino hat gesagt: einen nach dem anderen mach ich sie fertig ... ich mach sie kaputt ... alle miteinander ...«
    Petone: »Die da ... Hauptsache, daß die Leute mitmachen, daß sie >ordentlich hinlangen<...«
    Tamburino: »Gino, daran mangelt’s nicht. Unzählige brave Jungs ... alles brave Jungs ... du wirst schon sehen, was der auf die Beine stellt...«
    Die Strategie ist neu. Für den Krieg die Jugendlichen rekrutieren, sie zu Soldaten machen, den perfekt organisierten Apparat des Drogenhandels, der Investitionen und der Kontrolle über das Territorium in eine Kriegsmaschinerie verwandeln. Lehrlinge von Lebensmittel- und Metzgerläden, Automechaniker, Kellner und arbeitslose Jugendliche. Alle sollten die neue, überraschende Truppe des Clans werden. Mit dem Tod Montaninos beginnt ein langer und blutiger Schlagabtausch mit zahlreichen Toten: ein, zwei Anschläge pro Tag, erst die Soldaten der Clans, dann die Verwandten, Brandanschläge auf Häuser, Prügeleien, Verdächtigungen.
    Tamburino: »Cosimino ist wirklich cool, er hat gesagt: >Wir essen, wir trinken, und wir vögeln<. Was soll’s ... es ist passiert, wir müssen einfach weitermachen.«
    Petrone: »Aber ich bring einfach nichts runter. Ich habe gegessen, nur um was zu essen.«
    Der Kampfbefehl darf nicht verzweifelt klingen. Wichtig ist es, sich als Sieger zu präsentieren. Das gilt für ein Heer genauso wie für ein Unternehmen. Wer zeigt, daß er in Schwierigkeiten ist, wer flieht, verschwindet, sich zurückzieht, hat schon verloren. Essen, trinken, vögeln. Als ob nichts geschehen wäre, als ob nichts geschehen würde. Aber die beiden Ca-morristen haben Angst, sie wissen nicht, wie viele Mitglieder zu den Spaniern übergewechselt sind, wie viele auf ihrer Seite geblieben sind.
    Tamburino: »Und daß wir nicht wissen, wie viele von ihnen sich mit denen zusammengetan haben ... wir wissen es einfach nicht!«
    Petrone: »Ja! Wie viele sie mitgenommen haben? Ein ganzer Haufen ist dageblieben, Totore! Ich kapier das nicht ... gefallen denen die Di Lauro nicht?«
    Tamburino: »Wenn ich Cosimino wäre, weißt du, was ich dann machen würde? Ich würde sie alle zusammen umlegen. Auch wenn ich mir nicht sicher wäre ... alle zusammen. Ich würde anfangen ... kapierst du? ... mit dem ersten Dreckskerl ...«
    Alle umbringen. Alle miteinander. Auch, wenn man sich nicht sicher ist. Auch, wenn man nicht weiß, auf welcher Seite sie eigentlich stehen. Schieß! Es ist Dreck. Dreck, nur Dreck. Im Krieg, wenn eine Niederlage droht, sind Verbündete und Feinde austauschbare Rollen. Aus Individuen werden sie zu Elementen, an denen sich die eigene Macht erprobt und beweist. Erst danach werden die Seiten abgesteckt, die Verbündeten, die Feinde. Zuvor muß man erst einmal schießen.
    Am 30. Oktober 2004 kommen sie zu Salvatore De Magi-stris nach Hause: ein Mann von sechzig Jahren, der die Mutter von Biagio Esposito, einem Abtrünnigen, einem Spanier, geheiratet hat. Sie wollen wissen, wo er sich versteckt hält. Die Di Lauro müssen alle erwischen, bevor sie sich organisieren, bevor sie merken, daß sie die Mehrheit sind. Mit einem Prügel werden dem Mann Arme und Beine gebrochen, das Nasenbein zertrümmert. Bei jedem Schlag fragen sie nach Informationen über den Sohn seiner Frau. Er antwortet nicht, und auf jedes Schweigen

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