Gone 5: Angst (German Edition)
aufzutreiben, war gar nicht so einfach gewesen. Sie waren als Waffen benutzt worden und entsprechend ramponiert. Außerdem hatten die Kids, denen sie gehörten, bezahlt werden müssen. Bertos nahm niemand mehr, sie waren zum alten Tauschhandel zurückgekehrt.
»Sag mir, wenn es wehtut«, sagte Paul. Dann holte er aus und schlug auf den Meißel in Mikes Händen.
KRATSCH !
Ja, das tat weh. Die Wucht des Hammers übertrug sich als dumpfer Schmerz in seine Hände. Nicht ganz so heftig, wie er befürchtet hatte, aber das war ja erst der Anfang.
Er biss die Zähne zusammen. »Mach weiter.«
Lana schlenderte herbei. Zwischen ihren Lippen baumelte eine Zigarette. Am Fuß der Treppe lagen immer noch verletzte und weinende Kids, aber keine ernsten Fälle mehr. Um sie würde sich jetzt Dahra Baidoo kümmern. Auf Caine wirkte Dahra seltsam, so als würde sie schlafwandeln oder als wäre sie auf Tabletten. Aber das wäre auch nichts Neues. Der Wahnsinn war zur Norm geworden. Und in Dahras Fall wäre es nicht einmal verwunderlich – als die tödliche Grippeepidemie ausbrach und sich die Leute zu Tode husteten, hatte sie mehr oder weniger allein die Stellung gehalten.
Lana trat an Dahra heran, legte ihr die Hand auf den Kopf und drückte ihn einen Moment lang auf ihre Schulter.
Dahra schloss kurz die Augen und sah dabei aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Doch dann rieb sie sich mit beiden Händen das Gesicht ab und schüttelte beinahe gewaltsam den Kopf.
Als Paul zum zweiten Mal zuschlug, brach ein ungefähr sieben Zentimeter großer Brocken ab.
»Caine«, sagte Lana.
»Mach schon, Lana, du kannst es sicher nicht erwarten, mir verbal eine reinzuhauen.«
Lana zuckte die Achseln. »Nein. Das wäre zu einfach.« Sie kniete sich neben Caine hin, schloss vor Müdigkeit kurz die Augen und wechselte in den Schneidersitz. »Hör zu. Ich hab Sanjit zu Sam geschickt, damit er ihn warnt wegen …«
»Wegen der Flüchtlingswelle? Das wird er sich selbst denken können. Er ist derjenige, der Licht machen kann.« Caine starrte mit finsterer Miene zum Himmel, als wäre er sein persönlicher Feind. »In ein paar Stunden wird Licht das Einzige sein, was die Leute noch interessiert.«
»Deshalb habe ich Sanjit nicht zu ihm geschickt. Wäre das hier nicht passiert, wäre ich selbst gegangen. Ich glaube, dass Diana in großer Gefahr ist.«
Caines Herz setzte einen Schlag lang aus. Das überraschte ihn. Das und der Kloß, der ihm plötzlich im Hals steckte. Er räusperte sich, versuchte, cool zu bleiben. »Meinst du, in größerer Gefahr als wir alle?«
Unterdessen hörten Paul und Mike nicht auf, den Zementblock zu bearbeiten. Caine zuckte bei jedem Schlag zusammen. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis seine Knochen zu Bruch gingen. Und wie sie die letzte Schicht entfernen wollten – die, die sich in die Haut gefressen hatte. Zusätzlich zu den Schlägen, die ein immer heftigeres Stechen auslösten, quälten ihn ein dumpfes Pochen und ein Jucken, das ihn rasend machte.
»Manchmal spüre ich seinen Verstand«, sagte Lana.
Er blickte sie scharf an. »Seinen?«
KRATSCH !
»Stell dich nicht dumm, Caine.« Sie berührte die Wunden an seinem Kopf, aus denen immer noch Blut sickerte. Die Kopfschmerzen verschwanden augenblicklich. Aber nichts half gegen den Hammer, der schon wieder auf den Meißel sauste und ihm jetzt endgültig die Finger zu brechen schien.
KRATSCH ! KRATSCH !
»Aaaah!«, entfuhr es ihm.
»Du warst bei ihm«, sagte Lana. »Ich weiß, dass du ihn spürst.«
Caine sah sie böse an. »Tue ich aber nicht.«
Lana schnaubte nur.
Er würde nicht mit ihr streiten. Sie wussten beide, dass er log. Das hatten er und sie gemeinsam: Sie hatten zu viel Zeit in zu großer Nähe zum Gaiaphage verbracht. Und ja, das hatte Narben hinterlassen, und ja, manchmal kam es ihm so vor, als berührte das Ungeheuer sein Bewusstsein.
Als er die Augen schloss, stürmten die Erinnerungen auf ihn ein. Damals hatte die Kreatur nur aus Hunger bestanden. Der Gaiaphage hatte nach dem Uran im Kraftwerk verlangt. Dieser Hunger war so gewaltig gewesen, dass es Caine allein beim Gedanken daran immer noch den Atem verschlug.
KRATSCH !
Wieder schrie er.
Dann presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Ich lasse nicht zu, dass mich der Gaiaphage berührt.«
Vom Zementblock war inzwischen über die Hälfte abgeschlagen.
»Tut mir leid, Mann«, sagte Mike, ohne es zu meinen, und schlug zu.
Nein, dachte
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