GONE Hunger
sich der Wurm Stück für Stück durch die Wange schob.
»Beiß zu, Orc!«, brüllte Albert noch einmal. Dann kniete er sich hin und verpasste Orc mit aller Kraft einen Kinnhaken.
Der Schlag fühlte sich an, als hätte er auf eine Wand gedroschen. Albert schrie auf und fiel nach hinten. Er war überzeugt, sich die Hand gebrochen zu haben.
Orc hatte aufgehört zu heulen. Er öffnete den Mund und spuckte einen Batzen Spucke und Blut aus, in dem der Kopf des Wurms steckte.
Der restliche Wurm ließ los. Orc warf ihn zu Boden und hieb mit der Faust darauf.
In Orcs Gesicht klaffte ein zwei Zentimeter großes Loch, aus dem Blut floss. Er starrte Albert an. »Du hast mich geschlagen.«
»Orc, er hat dir damit das Leben gerettet«, warf Howard rasch ein.
»Ich glaube, meine Hand ist gebrochen«, sagte Albert.
»Noch ein Bier!«, befahl Orc.
Howard eilte zum Laster.
Orc legte den Kopf in den Nacken, hielt die Dose über seinen geöffneten Mund und drückte zu, bis der Verschluss aufplatzte. Er schüttete die gelbe Flüssigkeit in sich hinein, aber mindestens die Hälfte sprudelte rosa schäumend durch das blutende Loch in seiner Wange wieder heraus.
Zehn
81 Stunden, 17 Minuten
»Sie war in meinem Traum. In meinem Kopf. Ich hab sie gesehen«, sagte Drake.
»Ich tippe eher auf einen psychotischen Schub«, erwiderte Diana trocken.
Ihre Stimme hallte durch den zerstörten Speisesaal der Coates Academy, in dem sich außer ihr noch Caine, Drake, die Wanze und diese Orsay befanden.
Diana schätzte sie auf zwölf, maximal dreizehn Jahre.
An ihrem Blick war ihr sofort etwas aufgefallen. Er war voller Angst, was nicht weiter verwunderlich wa r – sie war Drake begegnet. Er und die Wanze hatten sie mitgebracht. Da war aber noch etwas: Orsay schien sie wiederzukennen. Diana lief ein kalter Schauer über den Rücken.
»Ich bin ihr nie zuvor begegnet, aber ich hab sie in meinem Traum gesehen.« Drake starrte das Mädchen hasserfüllt an. »Dann bin ich aufgewacht und hab sie gefunden. Sie wollte sich aus dem Staub machen.«
Es war ungewohnt für Diana, im selben Raum wie Drake zu sein und zur Abwechslung mal nicht als Zielscheibe für seinen Hass herhalten zu müssen.
»Okay, Drake, wir haben’s kapiert«, sagte Caine. »Früher hätte ich geglaubt, dass du verrückt bist, aber jetz t …« Er winkte Diana mit einer gelangweilten Handbewegung herbei. »Lies sie. Dann werden wir ja sehen.«
Diana ging zu dem Mädchen, das sie wie ein verschrecktes Tier ansah.
»Hab keine Angst«, sagte Diana. »Ich muss nur kurz deine Hand halten.«
»Was ist passiert? Warum sagt mir keiner was? Wo sind die Erwachsenen? Wo sind eure Lehrer?«
»Wir nennen es die FAYZ. Die Fallout Alley Youth Zone «, erklärte Diana. »Du hast doch sicher von dem Reaktorunfall vor langer Zeit gehört, oder? Und von dem Spitznamen Niederschlagsgasse?«
»Hey!«, fuhr Drake sie an. »Caine hat gesagt, du sollst sie lesen. Spar dir den Geschichtsunterricht.«
Diana nahm Orsays Hand und wusste augenblicklich, wie stark das Mädchen war. Zum Glück kein Vierer, denn dann hätte Caine sie Drake überlassen. Diana ließ ihre Hand los. »Sie ist ein Dreier.«
Caine sog hörbar die Luft ein und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er betrachtete das verängstigte Mädchen. »Erzähl mir von deiner Kraft. Erzähl mir die Wahrheit, dann passiert dir nichts. Wenn du mich belügst, krieg ich es raus. Und dann weiß ich, dass ich dir nicht trauen kann.«
Orsay blickte Diana an, als hätte sie in ihr eine Freundin gefunden. »Tu, was er sagt«, raunte Diana ihr zu.
Orsay verschränkte die Hände ineinander und schlang sie um ihre angewinkelten Knie.
»Begonnen hat es vor ungefähr fünf Monaten. Fast immer nachts. Ich dachte, ich wäre verrückt geworden. Auf einmal tauchten in meinem Kopf alle möglichen Bilder auf und manchmal auch Geräusche. Von Leuten, die miteinander redeten. Lauter Gesichter und Orte, die ich überhaupt nicht kannte. Oft nur ganz kurz, ein paar Sekunden. Aber manchmal dauerte es eine halbe Stunde. Es war total verrücktes Zeug. Leute, die auf der Flucht waren, hinfielen, Leute, di e … ihr wisst schon, Sex hatten und so.« Sie senkte den Blick.
»Wie bist du dahintergekommen, dass es die Träume anderer Menschen waren?«, fragte Diana.
»Normalerweise ist es nur in der Nacht passiert. Eines Nachts träumte ich von einer Frau, ich meine, ich habe ihr Gesicht gesehen, als wäre es echt, freundlich und mit roten Haaren. Sie war aber
Weitere Kostenlose Bücher