GONE Verloren
widersprach Quinn. »Wenn er die Kraft hätte, bräuchte er Orc und Drake nicht, um andere daran zu hindern, sie einzusetzen.«
»Natürlich braucht er sie«, sagte Sam. »Wenn er der Einzige sein will, der sie hat.«
»Paranoid geworden, oder was?«
Sam las unbeirrt weiter. »Nummer neun: Wir befinden uns im Ausnahmezustand. Für die Dauer der Krise darf niemand diejenigen, die ihr Amt ausüben, kritisieren, lächerlich machen oder behindern. « Sam schüttelte fassungslos den Kopf. »Wir dürfen also nicht mehr unsere Meinung sagen?«
»Hör mal, das ist wie in der Schule«, wandte Quinn ein. »Die Lehrer darfst du auch nicht beleidigen. Wenigstens nicht vor der Klasse.«
Quinn hatte die Chance auf eine Versöhnung verspielt. Sam fühlte sich schon wieder von ihm enttäuscht.
»Dann wird dir Nummer zehn besonders gut gefallen. In Ausnahmefällen entscheidet der Sheriff, ob die hier genannten Regeln ausreichen. Falls dies nicht zutrifft, darf er neue Regeln formulieren, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen .«
»Formulieren?« , schnaubte Quinn. »Das klingt, als hätte Astrid ihnen geholfen, das zu schreiben.«
Sam schob den Zettel weg. »Nein. Das ist nicht Astrids Stil.« Er verschränkte die Hände ineinander, legte sie auf den Tisch und verkündete: »Das ist Unrecht.«
Edilio blickte besorgt drein. »Ja. In Wirklichkeit heißt das, Caine und Drake können tun und lassen, was sie wollen.«
»Darauf läuft es hinaus«, stimmte Sam ihm zu. »Außerdem sorgt er dafür, dass die Leute anfangen, sich gegenseitig zu verdächtigen und auszuspielen.«
Quinn lachte. »Du kapierst es nicht. Sie treffen einfach Vorsichtsmaßnahmen. Das sind keine normalen Zeiten, okay? Wir sind von der Außenwelt abgeschnitten, es gibt keine Erwachsenen, keine Polizei, keine Lehrer und Eltern, und nichts für ungut, aber ein paar von uns mutieren gerade. Und du tust so, als müsste alles so laufen wie immer, als gäbe es keine FAYZ.«
»Und du tust so, als hätte Bette die Prügel verdient.« Sam platzte endgültig der Kragen. »Warum bist du nicht sauer, Quinn? Warum hast du kein Problem damit, dass ein Mädchen, das niemandem etwas getan hat, von Orc zusammengeschlagen wird?«
»Oh, daher weht der Wind! Dann ist es also meine Schuld?« Quinn stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Ich sag dir was, Sam. Ich finde es nicht richtig, dass er sie verprügelt hat. Okay? Aber was erwartest du? Kids werden von ihren Mitschülern schikaniert, weil sie die falschen Klamotten anhaben, keinen Sport mögen oder einfach anders sind. Bisher mussten dann immer die Lehrer und Eltern eingreifen. Das ist im normalen Leben so. Aber meinst du wirklich, dass die Leute jetzt, wo alles so verkorkst ist, dich für cool halten, weil du Laserstrahlen aus deinen Händen schießen kannst? Nein, Alter, so läuft das nicht.«
»Er hat Recht«, sagte Edilio, was Sam stärker überraschte als Quinn. »Wenn noch mehr Leute solche Kräfte haben wie du und Bette, gibt es Ärger. Einige haben die Kraft, die anderen nicht. Ich weiß, wovon ich rede – als Bürger zweiter Klasse.« Dabei warf er Quinn einen finsteren Blick zu, doch der ignorierte ihn. »Die anderen werden neidisch und bekommen Angst. Ich meine, sie drehen ja jetzt schon durch. Das heißt, sie werden jemanden suchen, den sie für sämtliche Probleme verantwortlich machen können. Auf Spanisch heißt das cabeza de turco . Das ist jemand, der für alles den Kopf hinhalten muss.«
»Ein Sündenbock«, übersetzte Quinn.
Edilio nickte. »Ja, ein Sündenbock.«
Quinn streckte beide Hände aus. »Sag ich doch! Genau so läuft das: Wenn du anders bist, wirst du zum Opfer. Sam, du möchtest über den Dingen stehen, gerecht sein, aber du hast es noch nicht begriffen. Das Schlimmste, was uns vorher passieren konnte, war, dass wir Ärger bekamen, Fernsehverbot hatten, was weiß ich. Wenn wir jetzt Mist bauen, ziehen sie uns mit dem Baseballschläger eins über. Schlägertypen hat es schon immer gegeben, aber früher sind die Erwachsenen mit ihnen fertig geworden. Jetzt sind die Schläger an der Macht, Alter. Und sie bestimmen die neuen Spielregeln.«
Siebzehn
169 Stunden, 18 Minuten
»Ich brauch mehr Pillen!«, schrie Cookie.
Zu Dahras Leidwesen schien seine Stimme niemals leiser oder heiserer zu werden.
»Dafür ist es noch zu früh«, sagte sie zum millionsten Mal in den letzten drei Tagen.
»Gib mir was!«, brüllte Cookie. »Es tut so weh! Ich halt das nicht mehr aus!«
Dahra hielt
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