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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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hier und wartete darauf, dass Mama endlich sagte, wir könnten nach Hause
gehen. Stattdessen zog sie einen Behälter mit Reis hervor, den sie zusammen mit Karotten und einem Stückchen Schinken gekocht hatte. Wir würden also am Arbeitstisch zu Abend essen. Beschweren konnte ich mich nicht, sie war schon viel länger hier als ich. Wir aßen, so schnell wir konnten, im Stehen, damit wir im Zeitplan blieben. An diesem Abend, unserem ersten, verließen wir die Fabrik um neun. Später fand ich heraus, dass das als früh galt.
     
    Am nächsten Morgen drückte ich mich lange in unserem winzigen Badezimmer herum.
    »Kim!«, ermahnte mich Mama. »Wir kommen zu spät zur Schule!«
    Widerwillig öffnete ich die Tür. Mein dünnes Handtuch hielt ich fest umklammert. »Ich fühle mich nicht so gut.«
    Sie sah besorgt aus und legte ihre Hand auf meine Stirn. »Was hast du?«
    »Bauchschmerzen«, antwortete ich. »Ich glaube, ich bleibe heute lieber zu Hause.«
    Mama betrachtete mich prüfend und lächelte. »Warum sprichst du so große Worte, du dummes Mädchen?« Sie fragte mich, warum ich log. »Du musst nun mal zur Schule.« Für Mama war Bildung etwas absolut Unantastbares.
    »Ich kann nicht«, flehte ich. Meine Augen füllten sich mit Tränen, aber ich versuchte es zu verbergen, indem ich mir das Gesicht mit dem Handtuch abrieb.
    »Sind die anderen Kinder gemein zu dir?«, fragte sie sanft.
    »Es sind nicht die Kinder«, sagte ich und starrte auf die zersplitterte Türschwelle vor dem Badezimmer. »Es ist der Lehrer.«
    Jetzt wurde ihr Blick skeptisch. Lehrer sind in Hongkong hoch respektiert. »Wovon redest du?«
    Ich erzählte ihr die ganze Geschichte: wie Mr Bogart gestern meinen Akzent korrigiert hatte, wie er sauer geworden war, wenn ich etwas nicht verstanden hatte, wie er geglaubt hatte, ich würde mogeln, und mir eine Null gegeben hatte. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, gab mir jedoch Mühe, nicht zu schluchzen.
    Als ich fertig war, schwieg Mama. Ihr Mund bewegte sich eine Weile lautlos, bevor sie stockend sagte: »Vielleicht könnte ich mit ihm reden und ihm sagen, was für eine gute Schülerin du bist.«
    Mein Herz wollte schon einen Sprung machen, aber dann stellte ich mir bildlich vor, wie Mama mit ihren wenigen Brocken Englisch auf Mr Bogart einredete. Er würde mich nur noch mehr verachten. »Nein, Mama. Ich muss mir einfach noch mehr Mühe geben.«
    »Er gibt dir sicher noch eine Chance, wenn du dich genauso sehr anstrengst wie sonst.« Sie streckte die Hand aus und zog mich zu sich heran. Dann legte sie ihre Wange auf meinen Kopf.
    Ich war überrascht und dankbar, dass Mama nicht automatisch die Partei des Lehrers ergriffen hatte. An sie gelehnt schloss ich die Augen und redete mir einen Moment lang ein, dass alles gut werden würde.
     
    Nach meinem Gespräch mit Mama über Mr Bogart tat ich, was jedes vernünftige Kind getan hätte: Ich fing an, die Schule zu schwänzen. Mama blieb keine andere Wahl, als mich allein zur Schule gehen zu lassen, weil sie so früh wie möglich in der Fabrik sein musste, wenn sie auch nur die geringste Chance haben wollte, rechtzeitig mit der Arbeit fertig zu werden. Sie konnte sich den Luxus, mich zu begleiten, einfach nicht leisten.
    »Bist du sicher, dass du den Weg findest?«, fragte Mama. »Hast du deine U-Bahn-Marke für die Fahrt nach der Schule?«
    Mama ließ mich ungern alleine, aber ich war den Weg ja bereits einmal mit ihr zusammen gegangen. Die Strecke war zwar lang, aber leicht zu finden, weil man nur selten abbiegen musste. Zuerst gingen wir zu Mamas U-Bahn-Station. Zögernd blieb sie am Eingang stehen, aber ich nickte, so zuversichtlich ich konnte, und marschierte dann in Richtung Schule davon. Sobald sie außer Sichtweite war, huschte ich um die Ecke und ging zurück nach Hause.
    Trotz der Kälte schwitzte ich. Was, wenn ich Mr Bogart in die Arme lief oder mich einer meiner Klassenkameraden erkannte? Ich hatte so etwas vorher noch nie getan. Wie jedes brave chinesische Mädchen hatte ich immer die Regeln befolgt und mich gefreut, wenn ich von den Lehrern gelobt wurde. Aber die einzige Alternative hätte darin bestanden, wieder in Mr Bogarts Klasse zu gehen. Zum ersten Mal erfuhr ich, was Verzweiflung ist.
    Mit einem unguten Gefühl stemmte ich die schwere Tür zu unserem Gebäude auf und betrat den dunklen Eingangsschlund. In der Wohnung behielt ich die Jacke an und kauerte mich ins dreckige Wohnzimmer, wo die schwachen Sonnenstrahlen in

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