GOR-Zyklus 01 - Gor - die Gegenerde
chen Grube, darf er sie nicht wieder verlassen. Dieser arme Bursche hier mußte aus einer der Gruben geflohen sein.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Ich bin ein Aussätziger«, jammerte die unheimliche Gestalt. »Die Aussätzigen sind tot. Die Toten sind n a menlos.«
Ich war froh, daß es dunkel war und daß der Mann se i ne Kapuze herabgezogen hatte, denn ich hatte wenig Lust, sein verwüstetes Gesicht zu s e hen.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte ich und deutete auf den Tarn, der ungeduldig seine Flügel schü t telte. »Beeil dich. Es sind noch mehr Larls in der Nähe.«
»Die Heilige Krankheit«, sagte der Mann noch einmal.
»Ich kann dich nicht hier zurücklassen«, sagte ich. Ich erschauderte bei dem Gedanken, das entsetzl i che Wesen in meinen Sattel zu heben. Ich fürchtete die Krankheit – doch ich konnte den Mann hier nicht den Raubtieren überlassen.
Die Gestalt lachte – ein dünnes, jammerndes G e räusch. »Ich bin längst tot«, lachte sie wild. »Möchtest du die Heilige Krankheit haben?« fragte er und streckte eine Hand aus, als wollte er nach mir gre i fen.
Ich wich entsetzt zurück.
Das Ding stolperte vor, griff nach mir und fiel mit le i sem Stöhnen zu Boden. Es saß dort vor mir, in gelbe Lumpen gekleidet – ein Häuflein Verzwei f lung unter den drei goreanischen Monden. Es schaukelte hin und her und stieß leise Laute des Wahnsinns aus.
Aus einiger Entfernung hörte ich das Brüllen e i nes Larls.
»Steh auf«, sagte ich. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Hilf mir«, wimmerte der andere.
Ich unterdrückte meinen Ekel und streckte meine Hand aus. »Komm, faß an«, sagte ich. »Ich helfe dir.«
Aus dem Häuflein Lumpen streckte sie mir eine Hand entgegen, deren Finger gekrümmt waren wie die Spitzen einer Tierklaue. Ich schloß die Augen und griff zu, um das unglückliche Wesen hochz u ziehen.
Zu meinem Erstaunen war die Hand des Mannes fest und hart wie Sattelleder. Ehe ich überhaupt wußte, was mit mir geschah, wurde mein Arm nach unten gezogen, und ich lag zu Füßen des Mannes, der blitzschnell au f sprang und einen Stiefel auf meinen Hals setzte. Seine Hand umspannte ein Schwert und führte dessen Spitze auf meine Brust. Der Mann lachte dröhnend und warf seinen Kopf hoch, wobei seine Kapuze zurückfiel. Ich sah einen massigen, löwenähnlichen Kopf mit ung e zähmtem langem Haar und einem Bart, der so wild war wie die Voltai-Berge. Der Mann, der vor mir anzuwac h sen schien, zog aus seinen gelben Roben eine Tarnpfeife he r vor und ließ einen schrillen Ton hören. Sofort wurde dieser Laut von anderen Pfeifen aufg e nommen, die aus allen Richtungen von den Bergen herabklangen. Kaum eine Minute später war die Luft von wildem Flügelschlag e r füllt, und etwa ein halbes Hundert wilder Tarnkämpfer landete auf der Ebene.
»Ich bin Marlenus, Ubar von Ar«, sagte der Mann.
14
Ich war in kniender Stellung gefesselt, und mein Rücken blutete von zahlreichen Peitschenschlägen. Neun Tage lang war ich nun schon ein Gefangener in Marlenus' L a ger, gefoltert und geschunden. Jetzt wurde ich vor den Ubar gebracht – zum erstenmal, seit ich sein Leben gere t tet hatte. Vielleicht gedachte er, die Leiden des Kriegers, der den Heimstein se i ner Stadt gestohlen hatte, endlich zu beenden.
Einer seiner Tarnkämpfer griff in mein Haar und zwang meine Lippen zu seiner Sandale hinab. Ich hob den Kopf hoch und hielt den Rücken gerade und ließ in meinem Blick nichts erkennen, das ihm Befriedigung verschaffen konnte. Ich kniete auf dem Felsboden einer flachen Hö h le irgendwo im Voltai – links und rechts flackerten abg e schirmte Feuer. Auf einem Thron aus aufgestapelten Fel s brocken saß Marlenus. Das Haar fiel ihm locker über die Schultern, und sein großer Bart reichte fast bis zum Schwertgürtel. Er war ein riesiger Mann, größer noch als der Ältere Tarl, und in seinen wi l den grünen Augen l o derte das Feuer, das ich auch in den Augen seiner Toc h ter Talena gefunden hatte. Obwohl ich von der Hand dieses großartigen Ba r baren sterben sollte, verspürte ich keine Abneigung gegen ihn.
Um den Hals trug er die goldene Kette des Ubar – eine medaillongroße Nachbildung des Heimsteins von Ar. Seine Hände umschlossen den eigentlichen Stein, jenen winzigen Quell für all das Blutvergießen. Seine Finger betasteten ihn sanft.
Am Höhleneingang hatten zwei seiner Männer eine Tharlarionlanze in eine Vertiefung geschoben. Vermu t lich sollte ich nun
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