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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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auf Männer so anziehend wirkend wie sie. Was ich natürlich nicht sein konnte. Es war kindisch.«
    »Nehmen wir das doch einmal wörtlich«, sagte er. »Sie nennen es kindisch. Schon als Kind wären Sie also gern so attraktiv wie Ihre Mutter gewesen.«
    »Ja«, sagte ich.
    Er ließ meinen Arm los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er machte ein befriedigtes Gesicht.
    »Wissen Sie, wer diese Frau war, in Ihrem Traum?«, fragte er. »Das waren Sie.«
    »Nein«, rief ich aus und sprang vom Sofa auf, »das kann nicht sein! Ich bin einsfünfzig. Und sie war fürchterlich groß, wie ein Gardesoldat. Und knochig. Und hässlich.«
    »Und sie sah aus wie O’Teague und trug einen Hut mit Schleier«, sagte er. »Der Schleier bedeutet für Sie, dass Sie gern so ›gut‹ wären wie jemand Bestimmtes, den Sie bewundern. Sie möchten gern wie O’Teague sein, ebenso smart und elegant, und von seiner Clique von Filmschauspielern und Produzenten als gleichberechtigt akzeptiert werden. Aber das ist nicht möglich. Verglichen mit ihm, sind Sie provinziell und altjüngferlich und ohne jeden Schick. Diese Leute reden kein Wort mit Ihnen, wenn Sie an ihrem Tisch sitzen, stimmt’s? Sie dulden Sie lediglich. Und er redet ebenso wenig mit Ihnen, solange die anderen da sind. Er schwatzt mit ihnen über Interna aus der Filmbranche. Und Sie sind ausgeschlossen. Sie sagten, in Ihrem Traum habe sich die Frau so sehr bemüht, dass es einem in der Seele wehtat. Sie bemühen sich so sehr, dass es einem in der Seele wehtut! Das war die Aussage Ihres Traumes.«
    Er schwieg eine Weile. Er beobachtete mich.
    »Ja«, sagte ich und schlug mir eine Hand vor die Augen.
    »Aber das ist nur der Anfang«, sagte er, »wir wollen noch ein bisschen tiefer bohren.«
    »Ich will nicht«, sagte ich. »Es ist – es ist unangenehm.«
    »Das ist ja das Schöne daran«, bemerkte er. »Deswegen bereitet es mir ja ein so ungeheures Vergnügen!«
    Er stand auf und ging zum Schrank, dann setzte er sich zu mir auf das Sofa und stellte eine Blechschachtel neben sich hin.
    »Kommen Sie schon«, sagte er, »hier habe ich etwas, was Sie aufheitern wird«, und er hielt mir einen Keks hin.
    Als ich ihn nehmen wollte, hielt er ihn so hoch, dass ich nicht mehr herankam. Ich reckte mich danach, und er versteckte die Hand hinter seinem Rücken und vereitelte so auch meinen zweiten Versuch. Ich warf mich auf ihn, und er packte mich und nahm mich in Besitz.
    Um acht verließen wir seine Wohnung und gingen die Wigmore Street entlang. Ich fragte ihn nicht, wo wir hingingen. Er wechselte gern die Pubs und führte mich oft in neue Lokale. So zermürbt wie ich durch sein Liebesspiel war, hielt sich meine Neugier in Grenzen.
    »Sie sind sehr schweigsam«, bemerkte er.
    »Ja«, sagte ich.
    »Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn Sie den Keks bekommen hätten?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    »Haben Sie heute O’Teague gesehen?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich.
    »Irgendwas zu erzählen?«, fragte er.
    »Sie haben sich über den Heath-Prozess und Morde im Allgemeinen unterhalten«, sagte ich, »und als die anderen gegangen sind, um in ihren Studios weiter zu schneiden und zu montieren und sich die ersten Kopien anzusehen, war ich allein mit ihm, und er meinte, Heath sei doch ein richtiger Idiot. Wie überhaupt Mörder seines Schlages. Wenn er jemanden umbringen wollte, würde er das tun, ohne aus seinem Sessel aufzustehen. Einfach nur durch die Kraft seines Willens.«
    »Ja sicher«, sagte Gordon, »und anschließend würde er einen Zauber auf Scotland Yard werfen, so dass man ihn nicht verhaften würde.«
    Ich lachte.
    »Sonst noch was?«, fragte Gordon.
    »Er sagte, er wisse mehr von sich als der Durchschnittsmensch. Er kann spüren, wie sein Haar und seine Nägel wachsen, und manchmal sind seine Arme und Beine von ihm abgerückt, fühlen sich von ihm losgelöst an, und er muss sie wieder heranholen, wenn er aufstehen will«, sagte ich.
    »Kenne ich sehr gut«, bemerkte Gordon. »Er ist präpsychotisch.«
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Brauchen Sie nicht zu wissen«, sagte Gordon. »Gehen wir hier lang und probieren wir das da aus.« Und nachdem er in die Marylebone Lane eingebogen war, betrat er einen Pub.
    »Nett, altmodisch, gottesfürchtig, genau wie Sie es mögen«, bemerkte er. »Setzen Sie sich, und ich gehe zum Tabernakel und besorge uns geistige Labung.«
    Als er mit den Drinks zurückkam, sagte er: »Neulich bin ich ins Belgrave Park Hotel gegangen.«
    »Im

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