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Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Titel: Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Keiser
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während ihr kleiner Vogelkopf auf dem dürren Hals hin und her schaukelte. Hollow hätte ihn in diesem Augenblick am liebsten so gedreht, wie man aus einem nassen Wäschestück das Wasser presst.
    „Mr. Hollow, der nette Mr. Hollow, er wohnt gleich da drüben!“, schrie Mrs. Glenmore, wobei sie mit ihrem weißen, blau geäderten Arm in Richtung von Hollows noch offenstehender Wohnungstür fuchtelte. Einige der Leute, die nur so herumstanden, drehten sich um, teils belustigt, teils irritiert.
    Hollow hoffte, dass sie die Knoblauchzehen, die am Türrahmen hingen, nicht bemerkten.
    „Mrs. Glenmore“, flüsterte er ihr zu, „das interessiert doch kei ...“
    Aus dem Nichts erschien plötzlich ein Mann in einem hellen Trenchcoat und hielt ihm eine kleine Blechmarke unter die Nase, von der Margot stets behauptet hatte, sie hätte starke Ähnlichkeit mit einer Kartoffel.
    „Detective William Cole, Morddezernat“, stellte sich der Mann vor, was Mrs. Glenmore zu einem heiseren Aufschrei veranlasste.
    „Mord ... Mord? Mord? Mein Gott, mein Gott ...“
    „Mr. Hollow?“, erkundigte sich Cole ungerührt.
    „Es dürfte ja jetzt inzwischen jeder hier über meinen Namen Bescheid wissen“, antwortete Hollow.
    „Wir befragen alle Nachbarn, ob sie die letzten beiden Tage etwas Ungewöhnliches auf dieser Etage bemerkt haben“, fuhr Cole fort, „Besucher etwa, die Mr. Muriic empfangen hat, oder vielleicht einen lauten Streit ...?“
    „Fragen Sie Mrs. Glenmore“, antwortete Hollow in einem schnippischeren Tonfall als beabsichtigt. Die Frau hatte ihn in eine höchst unangenehme Situation gebracht, wenn er es genau betrachtete. Mit der Polizei wollte er auf keinen Fall etwas zu tun haben.
    „Mrs. Glenmore weiß über alle Dinge Bescheid, die in diesem Haus vor sich gehen“, führte Hollow etwas freundlicher aus. „Und wenn sie Ihnen nicht weiterhelfen kann, dann kann es niemand.“
    „Ich werde mich mit der Dame noch unterhalten“, antwortete Cole, „aber nun möchte ich erst einmal mit Ihnen sprechen. Haben Sie am vergangenen Sonntag etwas Ungewöhnliches bemerkt?“
    Hollows Wahrnehmungsebenen schienen sich zu teilen. Zum einen registrierte er staunend, dass Mrs. Glenmore mindestens dreißig Sekunden lang den Mund gehalten hatte. Und, was wunderbar und zugleich kaum zu fassen war, noch immer schwieg.
    Zum anderen ließ ihn der Tag aufmerken, den Cole eben genannt hatte.
    „Sie sagten Sonntag? Sie meinen, Mr. Muriic wurde bereits vor zwei Tagen umge ...?“
    „Ich meine noch gar nichts“, erklärte Cole barsch. „Ich möchte einfach nur von Ihnen wissen, ob Ihnen gestern oder vorgestern etwas aufgefallen ist.“
    „Tut mir leid“, entgegnete Hollow, der beschlossen hatte, Cole nicht zu mögen. „Ich habe nichts bemerkt.“
    „Sagen Sie mal, Mr. Hollow“, sagte Cole gedehnt, „haben Sie nicht vor ein paar Wochen den Unfall hier gemeldet? Die Sache mit der alten Dame, die aus dem Fenster gefallen ist?“
    „Ja, das war ich“, bestätigte Hollow, wobei er fast so etwas wie Schuldbewusstsein verspürte.
    „Sie scheinen oft mit Unglücksfällen in Berührung zu kommen, Mr. Hollow.“
    „Seltener als Sie, nehme ich an“, erwiderte Hollow.
    Cole schien kurz darüber nachzudenken, verdrehte dann aber die Augen und ging zu der nicht weit entfernt stehenden Mutter des kleinen Mädchens, das Hollow vorhin noch bei der Rückkehr von seinen Einkäufen getroffen hatte. Die noch relativ junge Frau schien geweint zu haben, ihre Augen waren gerötet, und sie hielt ein zerknülltes Papiertaschentuch in der Hand. Wie war noch gleich ihr Name? Egal, irgendetwas Spanisches.
    Gerade in dem Augenblick, als er sie endlich vollständig vergessen hatte, brachte sich Mrs. Glenmore wieder in Erinnerung.
    „Mr. Hollow“, flüsterte sie diesmal wirklich leise, was bei ihr so ungewohnt war, dass er erschrak. Sie zog ihn am Ärmel und führte ihn etwas abseits von dem Geschehen.
    „Mr. Hollow, Mr. Muriic ist bestimmt nicht ermordet worden. Er hat in der Badewanne gelegen und sich, mein Gott, mit einer Rasierklinge den Hals aufgeschnitten.“ Mrs. Glenmore' Stimme wurde immer leiser, was Hollow dazu bewog, sich nahe zu ihren Lippen hinunterzubeugen. Zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, interessierte ihn, was ihm Mrs. Nebelkrähe Glenmore zu sagen hatte. Selbst ihr Speichel, der sein Gesicht nun mit einem dünnen Film überzog, konnte ihn nicht davon abbringen, ihr so andächtig zu lauschen, wie es ihm nur möglich

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