Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)
Illusion von etwas besserer Luft genießen wollte.
Wovon jedoch bei dem Gestank, den das Chemiewerk rund um die Uhr schon seit vielen Jahren von sich gibt, keine Rede sein konnte.
Genaugenommen handelt es sich auch nicht um einen echten Feldweg, denn das nächste Feld liegt wohl einen halben Tagesmarsch entfernt. Der Weg sieht einfach nur so aus. Ich nannte ihn immer so, da die Grundstücke, die diesen namenlosen Weg säumten, einer hochbetagten, nichtsdestoweniger steinreichen Dame gehörten, die sich bis zu ihrem Tode vor einem Jahr beharrlich geweigert hatte, ihren Grund und Boden an die Stadt zu veräußern. Da sie selbst nie Ambitionen besessen hatte, in den Club der Bauherren dieser Stadt einzutreten, war sich der Vergleich mit einem etwas abseits gelegenen Feldweg durchaus passend.
Auf etwa vierhundert Meter gab es hier nie auch nur ein nennenswertes Gebäude, sieht man einmal von der sanierungsbedürftigen kleinen Hütte ab, in der die Dame die letzten dreißig Jahre ihres Lebens verbrachte. Selbstverständlich hätte sie sich ein wesentlich luxuriöseres Haus leisten können, doch sie tat nichts dergleichen.
Alle Welt (also die alteingesessenen Bürger, die diese kleine Stadt als Nabel der Welt ansahen) fragte sich, was Vanessa Brown wohl mit den Millionen anstellte, die sie vor fast einem Menschenleben in Hollywood verdient hatte.
Wie gesagt, alle Grundstücke, durch die der Feldweg verlief, gehörten Mrs. Brown, die irgendwann zwischen den Weltkriegen aus Deutschland gekommen war und im sagenhaften Reich der Papphäuser und Komparsen an der Westküste eine beispiellose Karriere als Schauspielerin gestartet hatte. Sie hatte bereits in den zwanziger Jahren zum engsten Freundeskreis von Greta Garbo gezählt, aber wen interessiert das wohl heute noch?
Soweit es mir bekannt ist, hat Vanessa Brown in über hundert amerikanischen Filmen mitgewirkt, wovon nur ein knappes Viertel sogenannte B-Filme gewesen waren, und in der langen Zeit ihrer Schauspielerei hatte sie sich selten mit weniger als der jeweiligen Hauptrolle zufriedengegeben.
Selbstverständlich war Vanessa Brown nicht ihr richtiger Name gewesen.
Einige Leute in Hollywood witzelten, in ihrem Pass wäre zu lesen, dass sie mit bürgerlichem Namen in Deutschland als Eva Braun getauft worden war. Wäre daran auch nur ein Fünkchen Wahrheit gewesen, dann hätte sie es im Filmgeschäft hierzulande wohl nicht allzu weit gebracht. Daran hätte auch ihr späterer Ehemann, der schwerreiche Filmproduzent Albert „Big A“ Shoemaker , nichts ändern können.
Jedenfalls gab sie sich enorme Mühe, mit ganzem Herzen Amerikanerin zu sein.
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, an dem F.D . Roosevelt die Antwort auf Pearl Harbor lieferte und die USA in den Zweiten Weltkrieg eintraten.
Das Foto, auf dem Vanessa Brown kleine Fähnchen schwingend die Männer anfeuerte, die auszogen, um für Recht und Rache zu sorgen, fand wohl auf jeder Titelseite des Landes einen Platz.
Wenige Wochen später, das sei an dieser Stelle erwähnt, gehörte ich ebenfalls zu den Helden, die in den Krieg zogen, doch da waren keine hübschen Schauspielerinnen mehr zugegen, die einem zujubelten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon nichts Besonderes mehr, und die ersten Helden waren bereits in Zinksärgen wieder heimgekehrt.
Okinawa , wo ich schließlich landete, war für Leute wie Vanessa Brown nicht viel näher als die Sonne, die zwar für alle Menschen schien, aber dort, wo gute Amerikaner starben, blutrot brannte.
Nun, Vanessa Brown war eine Berühmtheit und hatte daher den Namen Brown aus Publicitygründen beibehalten, nachdem sie Shoemaker geheiratet hatte. Uns allen, die wir hier lebten, verschlug es die Sprache, als wir so um 1973 herum erfuhren (mein Gott, schon damals hielt ich mich für alt), dass das prominente Ehepaar beabsichtigte, sich hier niederzulassen. Ausgerechnet hier.
Zu jener Zeit war das Ehepaar schon nicht mehr im Filmgeschäft, aber es kannte sie trotzdem noch jeder, der etwa vor 1950 geboren war.
Selbst hier, in dieser Stadt.
Das Paar kaufte ein hübsches Haus am Stadtrand, und unweit davon erwarb Shoemaker von einem vermögenden Privatmann überdies eine Reihe von brachliegenden Grundstücken entlang eines besseren Trampelpfads, den ich immer den Feldweg nannte.
Hier wollte „Big A“ seiner Gattin, die bereits in jungen Jahren durch etliche Wildwestfilme galoppiert war, eine Pferdekoppel anlegen. Unnötig zu erwähnen, dass unsere besorgten
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