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Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Titel: Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Keiser
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Stadtverordneten damit keineswegs einverstanden gewesen waren, denn Grund und Boden war dazu da, um bebaut zu werden. Jedoch nicht, um sich mit Tonnen von Pferdescheiße düngen zu lassen. Das Chemiewerk war gerade in Betrieb genommen worden, und man hätte die Grundstücke sehr gut als Baufläche für Häuser, in denen die Arbeiter leben konnten, verwenden können.
    Albert Shoemaker verschwand spurlos, noch bevor die Pläne der Koppel mit den beabsichtigten Stallungen in die Tat umgesetzt werden konnten. Im Jahr 1975, von einem Tag auf den anderen, war er nicht mehr da und wurde niemals wieder gesehen.
    Zuerst verdächtigten die Ermittler Vanessa Brown, mit dem Verschwinden ihres Gatten etwas zu tun zu haben, aber es stellte sich heraus, dass sie sich zur fraglichen Zeit nachweislich in Los Angeles aufgehalten hatte.
    Und da keine Leiche auftauchte, kam es auch nie zu einer Mordanklage.
    Nach mehreren Nervenzusammenbrüchen (und nachdem sie ihr gemeinsames Haus zu einem Spottpreis verkauft hatte) zog sie in die kleine Hütte am Feldweg, die ursprünglich als Unterkunft für die Pferdepfleger, die niemals kamen, gedacht war.
    Schon damals war mir aufgefallen, dass der einsame Baum, der nur zwanzig Meter von der Hütte entfernt stand und, wenn die Dinge sich so entwickelt hätten, wie Shoemaker es geplant hatte, mithilfe einer Motorsäge längst von dieser Erde getilgt worden wäre, besonders große Früchte in sattem Grün und glänzendem Rot trug: Äpfel.
    Natürlich gab es hier eine ganze Menge Apfelbäume, doch die Äpfel, die auf diesem Baum wuchsen, waren ganz einfach etwas Besonderes.
    Gekostet habe ich zu dieser Zeit damals keinen davon, aber ich stand einmal im August 1975 sehr lange vor diesem Baum mit seinem schlanken, fast zerbrechlich wirkenden Stamm und bewunderte die Kraft, die diesen Früchten zu solcher Pracht verholfen haben musste.
    Und ich war erstaunt, dass die Äpfel schon ein bis zwei Monate vor ihrer Zeit zu dieser Reife gelangt waren.
    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich seit jenem Tag noch einmal dort gewesen war. Das Schicksal führte mich einfach über all die Jahre nicht mehr in diesen Teil der Stadt. Ungefähr so, wie bei guten Bekannten, die sich aus den Augen verloren haben, obwohl sie seit Ewigkeiten quasi nebeneinander leben.
    Diesen Platz in meiner Heimatstadt suchte ich dreißig Jahre lang nicht mehr auf.
    Ich habe eben den Begriff Schicksal erwähnt, und ich bin davon überzeugt, dass es tatsächlich so etwas gibt. Etwas Höheres.
    Nicht unbedingt Gott, das möchte ich damit nicht sagen, obwohl ich an Gott glaube. Diese Art von Schicksal, die ich meine, sollte eigentlich nichts mit Gott zu tun haben.
    Vor einem Jahr, es war am 17. August, brach ich gegen fünfzehn Uhr zu meinem alltäglichen Spaziergang auf, um meine alten Knochen in Bewegung zu halten. Schon seit Ewigkeiten ging ich täglich die Hauptstraße hinunter, bis hin zu dem kleinen Kiosk, wo ich noch heute regelmäßig meine Zigarren kaufe.
    Und das, obwohl mein Arzt mir die Zigarren nach dem leichten Herzinfarkt vor sieben Jahren streng verboten hat. Doch ich bin nun seit so vielen Jahren auf der Welt, und ich möchte jeden Tag, der mir noch beschieden ist, in vollen Zügen genießen.
    Und das ist meiner Meinung nach nur bei einer guten Zigarre möglich.
    Aber an besagtem Tag ging ich nicht die Hauptstraße hinunter. Ich bog vorher nach links ab und landete unverhofft auf einer kleinen Nebenstraße, die zum Stadtrand führte. Es hatte überhaupt keinen Anlass gegeben, von meiner täglichen Route abzuweichen, und doch tat ich es, ohne zu wissen warum.
    Ich ging diese Straße bis zum Ende, wobei ich versuchte, mich an das Haus zu erinnern, das Vanessa Brown und Albert Shoemaker einst gehört hatte, doch so sehr ich auch danach Ausschau hielt, ich fand es nicht mehr. Hier hatte sich in den letzten Jahrzehnten doch viel verändert, und bei den vielen Häusern konnte ich jenes, welches ich suchte, nicht mehr herausfinden.
    Schließlich kam ich an den Feldweg.
    Der Feldweg offenbarte sich mir wie eine Fotografie aus einem alten Familienalbum, das man nach langer Zeit wieder aufschlägt.
    Und dabei erkennt, wie vertraut einem das, was man sieht, noch immer ist.
    Der Feldweg hatte sich in den vergangenen dreißig Jahren überhaupt nicht verändert. Es war noch alles so, wie ich es in Erinnerung hatte.
    Und genau wie im Sommer 1975 stand ich wieder vor dem Apfelbaum, der nun um einige Meter höher war, wie mir in diesem Moment

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