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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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jetzt?«
    Ricky drehte sich um und guckte hinaus.
    »Tatsächlich. Vom Fernsehen. Kaum zu glauben, dass ich das erlebe. Es ist wie im Film.« Ricky machte einen Schritt zurück.
    »Was sollen wir tun?«
    »Nichts«, antwortete Elin. »Wir machen nicht auf. Ich will mit niemandem reden. Ich schaff das nicht.«
    Ricky blickte sich hektisch um, stürzte in den Flur und schloss die Tür ab.
    »Wir gehen nach oben«, sagte er, »damit sie uns nicht sehen.«
    Sie rannten die Treppe hinauf und zwängten sich ins Arbeitszimmer.
    »Hier sind wir sicher.«
    Sie setzten sich aufs Gästebett, Elin ganz in die Ecke und Ricky ihr gegenüber.
    Das Klingeln schrillte durchs ganze Haus.
    Unruhig sahen sie sich an. Wieder klingelte es. Nach einer Weile wurde entschlossen an die Haustür geklopft. Ricky streckte die Hand aus und schob die Arbeitszimmertür zu. Schweigend starrten sie die gegenüberliegende Wand an und lauschten. Irgendjemand sagte etwas, aber es war nicht zu verstehen, ob es an sie gerichtet war oder ob die Leute vor der Tür miteinander sprachen.
    »Ich habe bei Åhlbergs angerufen«, sagte Elin.
    »Du meinst das Bestattungsinstitut?«
    »Ja.«
    »Aha.«
    »Ich habe da angerufen, als du einkaufen warst.«
    »Haben die Mama nach … wo auch immer sie sie hingebracht haben?«
    »Nein, um solche … Transporte kümmern sich offenbar Leute aus Kräklingbo. Jedenfalls dachte ich, dass wir unbedingt rausfinden müssen, was genau los ist.«
    »Arbeiten die auch samstags?«
    »Das weiß ich doch nicht, ich habe bei denen privat angerufen.«
    »Reg dich doch nicht so auf.«
    »Du stellst aber auch so wahnsinnig dumme Fragen.« Elin seufzte. »Sie haben gesagt, es kann noch dauern, bis wir Mama beerdigen können, weil man sie zur Obduktion nach Stockholm gebracht hat.«
    »Musst du das so sagen?«
    »Obduktion? Was soll ich denn sonst sagen?«
    Ricky antwortete nicht.
    »Sie haben versprochen, sich zu kümmern, und sagen uns Bescheid, wenn sie fertig sind. Wir müssen uns also deswegen keine Gedanken machen.«
    »Okay«, sagte Ricky gedämpft.
    Sie versanken wieder in Schweigen. Unten klingelte die Türglocke.

25
     
    Wie alt mochte er gewesen sein? Zehn?
    Vielleicht auch acht oder elf. Wenn die Abenteuer mit gesetzten Segeln den kleinen Jachthaften von Klinte verließ und sich kurz darauf auch der Spinnaker vor dem blauen Himmel blähte, spielte die gewöhnliche Zeitrechnung keine Rolle.
    Ricky stand vorn und hielt sich an der Reling fest. Wie eine Galionsfigur: ein brüllender Löwe, ein Seeräuber, ein geheimnisvoller Sagenheld. Es gab Tausende von Spielen, Schiffbruch war nur eines davon. Egal, ob sie mit Piraten kämpften oder von einem schrecklichen Seeungeheuer verfolgt wurden, etwas hatten alle Spiele gemeinsam: Die Insel war ihre Rettung.
    Lauer Wind umwehte ihn, seine Eltern, Stefania und Elin.
    Der sommerliche Segeltörn konnte kurz oder lang sein, er konnte sie nach Finnland, Åland, in den Schärengarten von Stockholm oder manchmal sogar bis nach Dänemark oder an die Westküste führen, aber er begann immer auf die gleiche Weise. Einmal gegen den Uhrzeigersinn rund um Gotland und dann eine Übernachtung auf der Insel. Eigentlich fing der Segeltörn bereits an, wenn ihr Vater am Abend vor der Abfahrt die Seekarten herausholte. Ricky durfte auf die kleine Insel zeigen, die sich einsam auf der östlichen Seite von Gotland befand. Nicht viel größer als ein Fleck auf der Karte. Ein Fleck mit einer schmalen Landzunge, die wie ein Blinddarm an der Insel hing und nach Süden zeigte.
    Sie nannten sie immer nur die Insel, obwohl sie natürlich einen Namen hatte. Aber einfach nur »Insel« klang geheimnisvoller. Sie gehörte ihnen ganz allein. So war es schon gewesen, als Stefania noch klein war und die Segeltörns meist nur bis zur Insel gingen.
    Die ersten Stunden verliefen immer gleich. Papa am Ruder. Mama und Stefania streckten die Beine aus und sonnten sich im Bikini. Elin sah man immer mit einem Buch, zuerst auf einem Kissen oben an Deck, und wenn sie genug von der Sonne hatte, unten in der Kajüte. Aber wenn der Seegang zu hoch war, wurde einem da unten schlecht.
    Er selbst lief herum, stand vorn am Bugspriet oder half Papa mit Sachen, die er eigentlich gar nicht konnte, aber Papa griff ihm unter die Arme und ließ es so aussehen, als würde Ricky die Dinge alleine schaffen. Er ließ sich im Bootsmannstuhl den Mast hinaufziehen oder wurde auf einem dicken schwarzen Lastwagenschlauch hinter dem Boot hergeschleppt.

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