Gott geweiht
einem Halbkreis um Chucks Schreibtisch. Darauf lagen die Akten von Marie Kelleher, Annie O’Donnell und endlich auch von der unbekannten Toten Nummer Fünf – oder Pamela, wie sie nun wussten. Bislang hatte sich niemand gemeldet, um sie offiziell zu identifizieren und ihr einen Nachnamen zu geben.
Nachdem die arme Annie gefunden worden war, hatte der für Pamelas Fall zuständige Detective aus Queens widerwillig zugegeben, dass ein Zusammenhang mit den anderen Morden bestehen könnte, und Chuck die Ermittlungsakte übergeben.
»Blut im Messwein? Klingt ja wie aus einem Schauerroman«, bemerkte Nelson und trank den Kaffeerest vom Vortag aus einem Becher. Er verzog das Gesicht, als er das bittere Gebräu herunterschluckte. Lee hatte sie gerade über die jüngsten Entwicklungen im Fall aufgeklärt.
»Wie lange dauert es, bis wir das Ergebnis der DNA -Untersuchung kriegen?«, fragte Nelson.
»Gewöhnlich einige Wochen«, erwiderte Lee, »es sei denn, man macht denen richtig Dampf unterm Hintern.«
»Spielt es wirklich eine Rolle, wessen Blut es ist?«, wollte Florette wissen. »Ich meine, für Ihr Täterprofil von diesem Kerl?«
Nelson zuckte mit den Achseln. »Im Grunde nicht – außer natürlich, es ist sein Blut. Aber ich denke, wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es ihres ist.«
»Dann ist das also Teil seiner Signatur?«, sagte Florette.
»Ja«, antwortete Lee. »Und es bedeutet, dass seine Rituale immer ausgeprägter werden, was nicht unbedingt gut ist.«
»Die toxikologische Untersuchung ihres Bluts war negativ«, erklärte Florette. »Das heißt, dass er sie körperlich außer Gefecht setzt – er muss also wenigstens über durchschnittliche Körperkraft verfügen.«
»Nicht zwangsläufig«, widersprach Nelson. »Er könnte sie mit dem Überfall überrumpeln, sie bewusstlos schlagen, noch bevor er sie fesselt.«
»Okay, dann kommt er also nah genug an sie heran, um sie unerwartet zu überfallen«, sagte Florette. Sein tiefer, sonorer Bariton klang eher nach dem Moderator eines Klassiksenders als nach einem Polizisten. »Wenn er seinen Opfern auf den ersten Blick nicht bedrohlich erscheint, vielleicht hat er dann etwas an sich, was sie in Sicherheit wiegt – oder sie sogar anspricht.«
»Das ist der Grund, weshalb Mörder wie Bundy so beängstigend sind«, bemerkte Nelson. »Es ist ihre Anziehungskraft – er war Mörder, Schwindler und Traummann in einer Person.«
»Ich sage euch noch etwas, worin er und Bundy sich gleichen«, sagte Lee.
»Und das wäre?«, fragte Florette und setzte sich etwas gerader auf.
»Ist euch die Ähnlichkeit zwischen den Opfern aufgefallen?«
»Sie meinen, dass sie alle brave katholische Mädchen waren?«
»Nein«, erwiderte Lee. »Die Ähnlichkeit ist spezieller.«
Nelson betrachtete die vor ihm ausgebreiteten Fotos. »Oh Gott – ich habe es zuvor gar nicht gesehen, aber du hast recht!«
»Womit hat er recht?«, wollte Florette wissen.
»Das Haar«, antwortete Nelson. »Erinnern Sie sich noch daran, dass Bundy immer Frauen mit glatten, dunklen Haaren und Mittelscheitel ausgesucht hat?«
Florette runzelte die Stirn. »Ich kenne mich in der Materie nicht so gut aus wie –«
Nelson unterbrach ihn. »Seine Opfer hatten alle Ähnlichkeit mit einer Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte.«
»Worauf wir hinauswollen«, sagte Lee, »ist, dass auch zwischen den Opfern dieses Kerls eine gewisse Ähnlichkeit besteht oder dass es zumindest so scheint. Sie haben alle kurz geschnittenes, dunkles, lockiges Haar.«
»Sie haben recht«, pflichtete Florette bei.
»Ich denke, wir sollten noch eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen«, schlug Lee vor.
»Und die wäre?«, fragte Florette.
»Dass mehr als eine Person für die Taten verantwortlich ist.«
»Ach, komm schon, Lee –«, setzte Nelson an.
»Lass mich doch ausreden –«
»Arbeiten solche Mörder nicht immer allein?«, sagte Florette.
»Ja, normalerweise, aber gelegentlich sind sie zu zweit«, erwiderte Lee. »Ein stärkerer, dominanter Partner und ein unterwürfiger, fügsamer – Charles Ng zum Beispiel.«
»Er war die Ausnahme, die die Regel bestätigt!«, entgegnete Nelson gereizt.
Charles Ng war einer der sadistischsten und abartigsten Serienmörder der Geschichte – und es war viel über ihn bekannt, weil er seine Verbrechen auf Video festgehalten hatte. Sein Spießgeselle Leonard Lake war der schwächere, doch ebenso schuldige Partner bei ihrer Gewaltorgie aus Entführung,
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