Gott-Poker (German Edition)
davon, wenn wir etwas essen gehen, in unser altes Lokal vielleicht, und dann erzählst du mir erst einmal, was du besprechen wolltest.«
»Lenk nicht ab« knurrte der Doktor. Doch dann überlegte er und besann sich eines Besseren. »In u nser altes Lokal, ja gut.
Ben C. Faust, in unser altes Lokal«, rief er durch die Luke in der Scheibe.
»Sehr wohl der Herr«, sagte Ben C. Faust.
»Also gut«, sagte der Doktor beim zweiten Glas Weißwein und nahm den letzten Bissen seines auf Knoblauch gegrillten Fischs, »also, auf der Insel, auf der wir leben, gibt es ein Hotel. Eines Tages rief der Portier, ein alter Mann, der wohl noch nicht sehr lange auf der Insel ist, denn ich kannte ihn nicht, mich an und sagte, bei ihnen wäre eine junge Dame abgestiegen, die eine übel aussehende Verletzung am Kopf hätte. Ich möge doch kommen und sie mir einmal ansehen.
Ich kam hin, und die Frau lag in ihrem verdunkelten Zimmer, sehr bleich, und sie hatte eine wirklich schlimme Wunde, die nur mit einem einfachen Pflaster zugeklebt war. Sie muss starke Schmerzen gehabt haben, aber sie war anfangs kaum bei Bewusstsein. Das einzige, was sie manchmal versuchte, war etwas in ihr Notebook zu schreiben, das sie immer unter ihrem Kopfkissen versteckt hatte. Aber sie war, wie gesagt, zu Anfang kaum bei Bewusstsein.
Ich versorgte ihre Wunde, und nach einigen T agen konnte sie aufstehen. Nun konnte sie tagsüber draußen am Pool des Hotels sitzen. Sie las, obwohl ich ihr das Lesen eigentlich verboten hatte, immerzu dasselbe Buch. Sie saß da in ihrem Stuhl, las immerzu dasselbe Buch, trank irgendein buntes Getränk und versuchte andauernd, mit dem Strohhalm irgendwelche Fruchtstücke aufzuspießen.
Sollen wir noch etwas trinken?« fragte der Doktor. »Ja doch, natürlich«, sagte die Baronin ungeduldig und winkte dem Kellner, »nun erzähl schon.«
»Nun ja«, sagte der Doktor und räusperte sich, »wir trafen uns einmal in der Stadt, obwohl sie da noch nicht hingehen durfte, und wir unterhielten uns – und dann gingen wir manchmal spazieren, ich zeigte ihr die Katakomben, und eines Tages sahen wir dann in der Stadt eine tote Katze – die Katzen« – »eine der Katzen?« warf die Baronin ein – »Ja, eine der Katzen, unserer Katzen«, bestätigte der Doktor.
»Oh du Idiot!« rief die Baronin, »du hast ihr alles erzählt!«
»Nein, habe ich nicht«, sagte der Doktor ärgerlich. »Gar nichts habe ich ihr erzählt, und wenn du so weitermachst, erzähle ich dir überhaupt nichts mehr.«
»Ist ja schon gut«, brummelte die Baronin in ihr Glas, »sprich endlich weiter!«
»Also diese Katzen«, setzte der Doktor von neuem an, »diese Katzen, die sterben ja, wie du weißt, nicht wie normale Katzen, sondern – anders, und ich und alle, die länger in der Stadt leben, sind natürlich längst daran gewöhnt.
Aber die Frau, die ich – also, ihr Name ist Maria, sie sah so eine im Tod gesteifte Katze, die versehen tlich in einem Kellerfenster lag, und aussah, als wäre sie gefroren, und das bei über dreißig Grad – und das war zu viel für sie.«
»Ist es genug, die Dame?« fragte der Kellner, der mit seiner weiß behandschuhten Hand kühlen Weißwein nachgegossen hatte.
Die Baronin nickte geistesabwesend.
Der Doktor machte eine Pause, bis der Kellner sich entfernt hatte.
»Egal«, sagte er dann, »das war auch nur der Auslöser. Irgendwann wäre es wohl ohnehin passiert.
Ich nahm sie mit zu mir nach Hause. Ich dachte, dass sie sich sicher nachts davonschleichen würde, sie ist irgendwie der Typ, der sich nachts heimlich davonschleicht, aber am Morgen war sie immer noch da, sie hatte sich mit Chiara angefreundet. Sie war wie ausgewechselt, fröhlich und ausgeglichen, ihr Kopf schien zwar noch zu schmerzen, aber die Wunde verheilte langsam, und bereits am Nachmi ttag holte sie ihre Sachen aus dem Hotel. Mit meiner Tochter –« der Doktor schwieg kurz. »Mit Chiara verstand sie sich blendend, und wenn wir morgens zu dritt in der Sonne auf der Terrasse beim Frühstück saßen, dachte ich das erste Mal seit – damals, seit...« Ihm versagte die Stimme. »Seit Magdalenas Tod – dachte ich das erste Mal wieder so etwas, wie, dass das Leben vielleicht doch ganz schön sein könnte.« Die Baronin nickte.
Der Doktor nahm einen Schluck Wein. Sein Kehlkopf machte beim Schlucken ein so lautes Geräusch, dass es ihm schien, als seien die Gespräche am Nebentisch für einen Moment verstummt. Er schüttelte langsam den
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