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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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Ort?«
    »Mine di Trasquera.«
    »Würden Sie das buchstabieren?« Ich tat es.
    »Und wo ist das?« erkundigte er sich. »Etwa fünf Kilometer – «
    »Das heißt, drei Meilen.«
    » – So ungefähr, von Iselle di Trasquera entfernt, das an der schweizerischen Grenze liegt.«
    »Das heißt an der italienischen Grenze zur Schweiz.«
    »Falls Ihnen das lieber ist.«
    Mr. Rosencrantz machte sich ausgiebig Notizen. »Würden Sie ihn bitte nach seinem Namen fragen?« Ich versuchte die Beachtung des Bahnhofsvorstehers zu finden, aber es war nicht leicht, weil er in eine ideologische Debatte mit den Bahnbeamten verwickelt war. Schließlich kam er zu uns herüber. »Ja?«
    »Dieser Herr möchte gern Ihren Namen wissen.«
    »Wozu?«
    »Er ist ein hoher Beamter der amerikanischen Regierung.« Der Bahnhofsvorsteher lächelte boshaft. »Cavalieri, Ferruccio, Bahnhofsvorsteher, Sekretär des Partito Communista Italiano, Sezzione Iselle di Trasquera.«
    »Würden Sie das buchstabieren?« bat Mr. Rosencrantz mich wieder.
    Ich tat es, umständlich. Mr. Rosencrantz war eher gewöhnt zu diktieren, als sich diktieren zu lassen. »Insgesamt sieben Jahre von den Faschisten eingesperrt.« Genosse Cavalieri war erpicht auf einen umfangreichen und korrekten Eintrag im Schwarzbuch des State Department. »Major in der Stoßbrigade >Pariser Commune< des Partisanenheers«, fuhr er fort. »Dreimal verwundet, einmal schwer. Ausgezeichnet mit sieben Orden, einem amerikanischen, der versprochen, der aber nie geliefert wurde.« Die Herzogin konnte diese Beschwichtigungspolitik nicht mehr ertragen. »Ich bin die Herzogin von Calapiccola«, zischte sie.
    »Das tut mir sehr leid«, antwortete der Bahnhofsvorsteher, ihr seine Aufmerksamkeit zuwendend. »Mein Schwager ist Graf Parri-Ponte, der Bevollmächtigte der Staatlichen Eisenbahnen.«
    »Sie sollten sich schämen.«
    »Dafür werde ich Sie feuern lassen.«
    »Das hat man versucht, das hat man versucht, glauben Sie mir. Aber Bahnhofsvorsteher von meiner Qualität und Erfahrung wachsen nicht auf den Bäumen. Ich wäre heute für einen richtigen Bahnhof verantwortlich, wäre ich nicht meinen Überzeugungen treu geblieben. Padua, Parma, Brescia – ein Bahnhof, auf den ein Mann stolz sein kann. Man läßt mich hier sitzen, aber man wagt es nicht, mich loszuwerden. Wenn ich ginge, würde die Hälfte aller Bahnhofsvorsteher im Norden aus Solidarität mitgehen.«
    »Ich werde Sie hinauswerfen lassen!« schrie die wütende Herzogin. »Ich bin eine sehr kranke Frau. Ich bin in einer Klinik in Lausanne angemeldet. Ich werde sterben, wenn ich nicht heute nachmittag in der Klinik bin.«
    »Es gibt in Iselle ein sehr angesehenes Bestattungsinstitut, geleitet von Ronco, Giuseppe, einem Mitglied unserer Zelle.«
    Die Herzogin spuckte dem Bahnhofsvorsteher ins Gesicht. Bedauerlicherweise hatte der Bahnhofsvorsteher wenig Erfahrung mit der solche Fälle regelnden Etikette und spuckte zurück, mit größerer Kraft und Treffsicherheit. Der Hund, zu seiner ewigen Schande sei es gesagt, unterließ es zu bellen. Die Beamten hatten sich wieder bekümmert auf ihre Posten im Zug begeben. Der Priester und die zwei Nonnen waren ausgestiegen und standen jetzt mit ihrer Habe auf dem Bahnsteig. Ich hörte die Herzogin nebenan das Mobiliar zertrümmern. Mr. Rosencrantz schoß ein Photo vom Bahnhof. Die Schlacht war vorbei. Der Bahnhofsvorsteher beherrschte das Schlachtfeld. Der Priester und die Nonnen standen herum wie Kriegsgefangene, die darauf warten, daß man ihnen Befehle gibt. Sogar der so erfolggewohnte Schaffner saß im Korridor, den Kopf in die Hände gestützt. Es galt nun, achtzehn Stunden zu warten. Achtzehn Stunden des Schweigens, und nichts zu tun, außer die Zeiger über das Zifferblatt kriechen zu sehen.
    Ich blickte zum Himmel auf. Falls es einen italienischen Gott gab, dort droben im italienischen Himmel, dann war dies gewiß der Zeitpunkt, um einzugreifen. Nur fünf Kilometer entfernt lag das Reich des Schweizer Gottes, so stur, vernünftig und korrekt, der wahrscheinlich die achtzehn Stunden verstreichen lassen würde, denn er ist der Gott der Uhren und Chronometer. Auch die Nonnen blickten himmelwärts.
    Könnte es sein, daß aus so ungeheurer Höhe die Grenzen sich ein wenig verwischten? O Dio, siamo Italiani!
    Dann geschah es. Vor Erregung zitternd, tauchte der Assistent des Bahnhofsvorstehers aus seinem Schalterhäuschen auf. Ein Junge von achtzehn Jahren, ein Meter neunzig groß, der schielte und

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