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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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betrachtet.
Dann ist er irgendwann abgehauen.“
    Konrad trank einen
Schluck Wein. „Als erstes müssen wir unbemerkt aus Deutschland verschwinden.“
    „Warum unbemerkt?“
    „Ich will nicht,
dass meine Gewährsleute bei der Stasi uns erwischen. Ich könnte es nicht
ertragen, wenn meinem Freund in Griechenland etwas zustoßen würde. Außerdem
wäre es nicht gut, wenn sie uns beide vereint und in Freundschaft sehen würden.
Ich werde die Spur so legen müssen, dass sie glauben, wir wären irgendwo
untergetaucht, und zwar für mich mit dem Vorwand, dich und deine Gewohnheiten
besser kennen zu lernen. Genau so war es nämlich geplant: Ich sollte mich dir
nähern und dich besser kennen lernen, dich ausforschen, deine Gewohnheiten
studieren, bevor sie oder ich dich ... Na ja. Das klingt also für die
plausibel.“ Konrad drehte das Glas in seiner Hand und betrachtete es, als würde
es ihm die Weisheit einer Kristallkugel offenbaren.
    „Und wie willst du
das anstellen?“
    „Wir werden von
Luxemburg aus nach Athen fliegen und von dort aus weiter zu unserer Insel.“
    „Wie heißt
eigentlich diese Insel?“, fragte ich neugierig.
    „Du wirst es noch
früh genug erfahren“, sagte Konrad bestimmend. „Je weniger du weißt, desto
besser ist es wohl.“
    „Hör mal zu“, begehrte
ich auf. „Ich bin es gewohnt, meine Entscheidungen selber zu treffen und mich
nicht an der Nase herumführen zu lassen.“
    „Dann wirst du dich
eben umgewöhnen müssen. Das ist mein Job!“ Seine Augen blickten stark und
sicher. „ Walter, hier geht es nicht um Rosen und Hosenknöpfe, sondern hier
geht es um dein Leben und um unser Glück. Da zählen keine kühlen Worte und
selbstgefällige Intelligenz. Schnelligkeit und List werden von nun an deine
Freunde sein. Alles andere ist ab heute dein Feind. Vertrau mir einfach, ich
hole dich heil aus der Sache raus. Aber du musst mir gehorchen!“
    Oh Gott, dachte
ich, wohin hast du mich gebracht? Mein eigener Bruder sitzt mir gegenüber, er
hatte den Auftrag, mir den Tod zu bringen, und jetzt soll er mein Lebensretter
werden? Wie konnte das in meinen Kopf hineinpassen, wie sollte ich das alles
verstehen lernen und glauben können?
    Konrads Blicke
forderten mich heraus. Seine Sicherheit ließ meine Zweifel schmelzen. Ich hatte
keine Wahl, denn er hatte Recht: Was sollte ich allein gegen professionelle
Mörder ausrichten? Ich war im Schoß der Liebe und Schönheit aufgewachsen. Sein
Metier war mir fremd. Ich musste ihm vertrauen. Unter einer Bedingung!
    „Konrad, tu mir
einen Gefallen! Sag mir stets die Wahrheit und klär mich auf über die Dinge,
die mir bevorstehen!“
    „Ich verspreche
dir, das Nötige zu sagen; wenn ich dir etwas verschweige, so geschieht das
einzig zu deinem Schutz. Ist das in Ordnung?“, fragte er drängend.
    Zögernd willigte
ich ein; ich spürte, dass damit eine lange, abenteuerliche Reise für mich
beginnen würde, deren Ende nicht zu erahnen war. Ich hatte einen Bruder, ja,
ich hatte endlich einen Bruder, und ich hätte alles darum gegeben, ihn aus
seinem Konflikt zu befreien und nach Hause zu führen. Doch ich vermutete, dass
sich dieser Wunsch nie erfüllen würde, und zum ersten Mal seit langem begann
ich wieder leise zu beten.
    Was war die Liebe
und wo war sie? Hatte ich sie jemals erfahren, oder war es unabwendbare
Bedingung, erst gnadenloses Leid erfahren zu müssen, bevor sich die Liebe in
ihrer ganzen Breite bemerkbar machte? Nein, das konnte nicht sein. Liebe musste
möglich sein, ohne an ihr leiden zu müssen, sie musste existieren, frisch wie
das Wasser eines Bergbaches, klar wie der Himmel unter den Sternen und würzig
wie die Luft über dem Meer.
     
     
     

Teil II: DIE VERSCHMELZUNG
     
    Die Focker der
Olympic Airlines ließ ihre Propeller schneller drehen, beschleunigte und
presste mich in den Sitz. Der Pilot rollte die Maschine weit über die
Startbahn, bevor er ihre Nase nach oben hob. Die weißen Wolken stellten sich
schräg und schräger, und der Horizont kippte ins Wasser. Die Maschine zog uns
in den tiefblauen Himmel. Athen wurde zum Schachbrett.
    Der Gedanke daran,
dass Anna womöglich gar nicht tot war, ließ mich nicht mehr los. Anfangs war er
reine Qual, doch ich lernte die Möglichkeit zu akzeptieren, dass - wenn sie lebte - es ihr nur gut gehen könne. Es habe keine Notwendigkeit bestanden,
ihr übermäßiges Leid zuzufügen, so hatte Konrad es versucht zu erklären. Ich
hatte ihn verstanden. Man habe mich nur glauben machen wollen,

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