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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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einmal um Auskunft bat, gab er mir keine Antwort: Er machte mit mir keine Ausnahme, Sicherheit ging vor. Erst als die Sonne untergegangen war, kamen wir in Samers Lager. Ein junger Algerier, der sich Abu Salih nannte, empfing uns. Er war Mitte zwanzig und lächelte immerzu. Wenn er mit seinem einfachen und hastigen algerischen Akzent etwas sagte, blitzte ein Goldzahn in seinem Mund auf. Er führte uns zu einem Zimmer, das an ein Haus angebaut und für mich bereitgestellt worden war, eine Art Gästezimmer für Dschihadkämpfer. Als er sich davon überzeugt hatte, dass ich nichts weiter brauchte, eröffnete er mir, ich könne den Emir Abdallah heute nicht mehr sehen. Er habe das Dorf eine halbe Stunde vor meiner Ankunft eilig verlassen müssen und ihn, Abu Salih, beauftragt, sich um mich zu kümmern.Er bat um Entschuldigung, dass er nicht mit mir zusammen zu Abend essen könne, schöpfte mir noch persönlich Essen auf einen Teller und verabschiedete sich dann. Er müsse heute noch etwas erledigen und morgen früh zu einer Mission aufbrechen.
    Ich blieb mit Abu Harith allein und fragte ihn: »Wo sind wir?« – »Du wirst es noch erfahren«, gab er zurück. Ich würde ihn morgen nicht sehen, fügte er hinzu, ein anderer Mann sei dazu eingeteilt, mich zu begleiten. Ich dankte ihm dafür, dass er sich meiner angenommen hatte, und scherzte, dass er mich in Ehren zu meinem Sohn geleitet habe. »Abdallah ist dein Sohn?«, fragte er mich erstaunt. Ich nickte und bedauerte, um seine Verwunderung noch zu verstärken, dass er uns auf unserer Rückreise nicht auch begleiten würde. Er verstand nicht, was ich meinte. »Ich bin in den Irak gekommen, um meinen Sohn wieder mit nach Syrien zu nehmen«, sagte ich. Er blickte zu Boden, und als er den Kopf wieder hob, war der Glanz aus seinen Augen gewichen. »Wärst du lieber nicht gekommen«, sagte er.
    Ich hatte ihn enttäuscht. Er hatte geglaubt, ich sei hergekommen, um mein kurzes noch verbleibendes Leben zu opfern, stattdessen wollte ich meinen Sohn dazu bringen, sein Gelübde zu brechen. Und mein Sohn, das war nicht irgendwer, er war der Emir des Stützpunktes! Abu Harith versicherte mir, dass aus unserer Rückkehr nichts werden würde. Um das Thema zu wechseln, fragte ich ihn nach seinem Alter. Seit wenigen Tagen sei er fünfunddreißig, sagte er. Er sehe eher wie fünfzig aus, gab ich zurück. »Gott hat mir mehr als ein Leben zugedacht«, war seine Antwort. Anders als ich es erwartet hatte, ließ der verschlossene Abu Harith während des Abendessens, das wir gemeinsam einnahmen, seinem Wunsch zu sprechen freien Lauf. Seine Zunge löste sich, aber die tiefen Falten in seinem Gesicht blieben.
    Er hatte die Schule abgebrochen und war mit zwanzig Jahren nach Afghanistan gereist. In einem Lager für arabische Freiwillige erhielt er eine Kampfausbildung und nahm dann am Guerillakrieg gegen die sowjetischen Besatzer teil. Er war bei allen großen Schlachten dabei: Dschalalabad, Khost und Kabul. Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes brachen Kämpfe zwischen den Mudschahidin aus. Wie viele andere auswärtige Dschihadisten hielt er sich aus diesen Kämpfen heraus und ergriff für keine Gruppe Partei. Die Siege, die sie in Afghanistan gegen die gottlosen Russen errungen hatten, ermutigten sie dazu, ihnen nach Tadschikistan zu folgen, wo ebenfalls muslimische Rebellen gegen ihre Regierung Krieg führten. Zwei Jahre lang kämpften sie unter widrigsten Bedingungen, zumeist in unwegsamem und schneebedecktem Bergland, und hielten trotz frappantem Mangel an Waffen und Munition stand. Als ein Abkommen zwischen den Dschihadkämpfern und der Regierung den Krieg beendete, ging er nach Afghanistan zurück.
    Doch er blieb nicht lange dort. Nachrichten aus Tschetschenien gingen um die Welt, die russische Armee verübte Grausamkeiten gegen die dort lebenden Muslime, und Abu Harith überlegte, nun dorthin weiterzuziehen. »Es war, als wären wir darauf spezialisiert, gegen die Russen zu kämpfen.« Was ihn dazu bewog, wirklich dort hinzugehen, war der arabische Guerillaführer Khattab, genannt der Löwe, den er schon Jahre zuvor in afghanischen Trainingslagern getroffen hatte und der den Kampf in Tschetschenien mit führte. Fernsehnachrichten und Dschihad-Webseiten taten ihr Übriges. Man sah tschetschenische Widerstandskämpfer mit dichten Bärten und schwarzen Stirnbändern mit aufgedrucktem islamischen Glaubensbekenntnis, die sich in Höhlen an einem Feuer wärmten, in Wäldern ihre Waffen

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