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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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an.
    »Seid ihr ... Also, ich hab gedacht, ihr seid kein Paar.«
    »Das sind wir auch nicht«, versicherte Katharine. »Aber ich bin trotzdem etwas beunruhigt.«
    »Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, versicherte Razia.
    Razia startete den Wagen, und sie setzten ihre holprige Fahrt fort. Dieser Weg stellt die Federung eines jeden Fahrzeugs wahrhaftig auf die Probe, dachte Katharine.
    Nach zwei Stunden hielt Razia den Jeep an einer Stelle an, die eine prachtvolle Aussicht über ein großes Tal bot. Katharine hatte erwartet, dass Qattara ein von steilen Felsen gerahmter Cañon wäre, aber die Hänge fielen sehr sanft ab.
    »Irgendwie sieht es ganz gewöhnlich aus«, sagte Katharine.
    »Ja«, gab Razia zu. »Aber trotzdem ist dies die zweitgrößte Senke der Welt, gleich nach dem Kaspischen Meer und seinen Uferebenen.«
    »Wollen wir unseren Proviant essen?«
    Sie setzten sich auf den Boden und packten ihre Butterbrote aus. Razia goss aus einer Feldflasche stark mit Wasser verdünnten Rotwein in ihre Gläser.
    »Ich hab gewisse Vorurteile gegenüber Wein, der mit Wasser verdünnt ist«, sagte Katharine. »Aber dieser ist nicht übel.«
    »Es ist ein gutes Getränk gegen den Durst«, bemerkte Razia. »Unverdünnter Wein ist zu stark, wenn die Sonne so heiß scheint.«
    »Ist es den Muslimen nicht verboten, Wein zu trinken?«, fragte Katharine.
    Razia lächelte.
    »Genau genommen ist es das eigentlich nicht. Mohammed hat nur gesagt, es sei klug, beim Wein zurückhaltend zu sein, weil man dann bessere Chancen hat, im Leben erfolgreich zu sein. Einige haben natürlich diese an sich sehr vernünftige Bemerkung immer wieder einmal überinterpretiert.«
    »So habe ich es verstanden!«
    »Tatsächlich kommt das Wort Alkohol von dem arabischen Wort Al-Kohl«, erzählte Razia.
    »So?«
    Katharines Glas war leer, und Razia füllte es noch einmal.
    »Die Araber von Bagdad begannen vor etwa zweitausend Jahren, verschiedene Duftwässer und andere Stoffe durch Destillieren herzustellen. Sie haben niemals Alkohol destilliert, aber die Sizilianer lernten von ihnen die Methode, und die Europäer begannen auf diese Weise Spirituosen herzustellen. Al-Kohl bedeutete ursprünglich eine schwarze Farbe zum Umranden der Augen, das Kajal.«
    Katharine trank von ihrem verdünnten Wein.
    »Wie bist du nur zu so einer Arbeit gekommen?«, fragte sie Razia. »Ich meine, das Bauen von Sonnenkraftwerken ist in Ägypten nicht gerade der häufigste Frauenberuf.«
    Razia lachte.
    »Nein, wahrhaftig nicht! Aber Ägypten ist immer ein ziemlich kompliziertes Land gewesen. Die Stellung der Frau war zeitweilig sogar außergewöhnlich stark. Also ganz global gedacht, meine ich. Natürlich nicht zu allen Zeiten. Aber trotzdem haben wir bestimmte Traditionen. Sie geben uns einen gewissen Spielraum auch dann, wenn wir konservative Zeiten erleben.«
    »Trotzdem!«
    »Meine Großmutter wäre gern Ingenieurin geworden. Sie war sehr an Technik interessiert, besonders an Sonnenenergie. Sie hat mir Bilder von Maadi gezeigt, dem Ort, wo ein amerikanischer Geschäftsmann namens Frank Shuman das erste richtige Sonnenkraftwerk der Welt gebaut hatte. Ich war einmal mit meiner Mutter dort. Es gab eigentlich nichts mehr zu sehen, aber trotzdem hat es auf mich einen großen Eindruck gemacht. Ich war damals ein ganz kleines Mädchen und konnte mir dort alles Mögliche vorstellen. Ich dachte mir, eines Tages werde ich das zum Abschluss bringen, was die Fremden nicht geschafft haben.«
    Razia lachte. Es war ein herzliches, warmes Lachen, das auch in Katharine die Freude aufwallen ließ.
    »Na, es ist wahrscheinlich nicht genau so geworden wie Shumans Kraftwerk.«
    »Dieses ist zweifellos ein wenig größer«, bestätigte Katharine.
    Razia betrachtete die sie umgebende Wüste, und plötzlich lag in ihrer Miene eine traurige, ja schwermütige Nuance.
    »Meine Großmutter hatte niemals eine Chance, obwohl sie ihr Bestes tat. Alles war gegen sie, all die Probleme von heute gab es auch damals schon, und obendrein war Ägypten damals eine Kolonie, und unser Kolonialherr England war damals noch viel konservativer als Ägypten heute. Eine Frau konnte nicht einfach Ingenieurin werden, ihr Platz war zu Hause, zwischen Faust und Herd, wie eine Redewendung lautet. Großmutter versuchte es wieder und wieder, aber sie zappelte nur in dem unsichtbaren, überall gegenwärtigen Netz, das sie am Fortkommen hinderte und gegen das sie nicht ankam. Schließlich gab sie auf und wurde

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