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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Und die Arme schlenkern im Wind.
    »Wir haben das schon als Kinder gespielt«, sagte eine Stimme.
    »Wer am längsten ausgehalten hat, hat einen Preis gekriegt, ein Eis oder Bonbons. Ich war immer gut im Aufhängen, Juri ist eine tolle Wasserleiche, und Steffen kann die Luft so lange anhalten, bis er blau anläuft, das kann der, da ist der ein Meister, wir sind alle sehr…«
    Sie sprang in die Höhe und schlug ihm ins Gesicht. Er knickte zur Seite und rutschte aus. Er fiel nicht, aber er taumelte. Und als sie ihn taumeln sah, kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.
    »Du Kindsmann!«, brüllte sie. Dann riss sie den Mund auf und atmete die kalte Luft ein. Der Himmel war ein Grab aus Wolken.
    »Ich wollt dich nicht erschrecken«, sagte er und tätschelte seine Wange, auf die sie ihn geschlagen hatte.
    »Du hast ganz schön Kraft.«
    »Du hast mich aber erschreckt!« Sie senkte den Kopf.
    »So ein Scheißspiel!«
    »Das ist doch kein Scheißspiel«, sagte er und machte einen Schritt auf sie zu, und sie wich zurück. »Wir haben das schon als Kinder gespielt und heut wollten wirs noch mal machen, weil Juri doch bald heiratet und dann keine Kinderspiele mehr machen kann.«
    »O Gott!«, sagte sie.
    Sie lief zum Rand des Piers, kniete sich wieder hin und übergab sich in den Fluss.
    Nachdem sie sich mit Papiertaschentüchern den Mund abgewischt und tief ein und ausgeatmet hatte, sagte sie:
    »Können wir morgen den Tag für uns allein haben?«
    »Morgen muss ich arbeiten«, sagte Rico. »Ich hab nur heut frei gekriegt. Juri wollte das Fest unbedingt noch machen, bevor er nach Spanien fliegt, deswegen ist die Fete mitten in der Woche, das ist eigentlich schlecht, ich darf nicht so oft fehlen.«
    »Fliegt Annalena mit?«
    »Nein, er hilft einem Kumpel beim Einrichten einer Werkstatt, und wenn er zurückkommt, muss er sich um seinen eigenen Betrieb kümmern, und dann heiratet er schon gleich.«
    »Wieso fliegt Annalena nicht mit?«
    »Die kann nicht weg aus dem Rathaus, die ist doch die Sekretärin vom Bürgermeister. Komm, wir gehen zurück, später gibts noch ein Feuerwerk.«
    »Hast du morgen Abend Zeit?«, fragte Julika.
    »Ja. Komm!«
    »Nein.«
    »Ich mach so was nie wieder, ich versprechs dir, sollt eine Überraschung sein, ist misslungen, tut mir Leid.« Er ging zu ihr und legte den Arm um sie, ungelenk. Und sie stand da, steif, mit einem schlechten Geschmack im Mund und zitternden Knien.
    »Aber nur, um mich von Annalena zu verabschieden«, sagte sie.
    »Ich trink kein Bier mehr.«
    »Ja«, sagte er.
    Doch Annalena war verschwunden.
    Julika fragte den Barkeeper und andere Leute, niemand hatte sie gesehen. Aus der Entfernung bemerkte sie, wie Juri Rico auf die Schulter klopfte und lachte. Steffen stand daneben und rieb sich über den rasierten Schädel. Sie achtete darauf, nicht in sein Blickfeld zu geraten.
    »Ich glaub, die hat sich im Klo eingesperrt«, sagte eine junge Frau unter Deck.
    »Annalena? Bist du da drin?« Zaghaft klopfte Julika an die Toilettentür. Von drinnen war ein Stöhnen zu hören.
    »Annalena. Bist du da?«
    »Komm gleich«, sagte eine dünne Stimme.
    »Die hat Wodka gesoffen mit ihrem Typ«, sagte die junge Frau, die eine grüne, viel zu enge Hose trug. »Das verträgt nicht jeder.«
    »Den Typ verträgt auch nicht jeder«, sagte Julika.
    »Bist du die aus dem Westen?«
    »Ja.«
    »Hab ich mir gedacht«, sagte die Frau in der grünen Hose. Als Julika ansetzte, etwas zu sagen, krachte es zum ersten Mal. Und dann, ein paar Sekunden später, krachte es zum zweiten Mal. Und dann hörte es nicht mehr auf zu krachen. Und aus einem der Räume kamen Flammen. Und die Gäste fingen an übereinander herzufallen.
    Bevor Julika reagieren konnte, wurde sie von der Toilettentür zur Treppe getrieben, ohne Chance sich irgendwo festzuhalten. Und hätte sie sich fest gehalten, wäre sie niedergetrampelt worden.
    »Julika!«, rief Rico. Sie konnte ihn sehen, als sie auf Deck stolperte. Von allen Seiten strömten die Leute in Richtung Steg. Einige rutschten aus, andere kletterten über sie hinweg. Aus den Luken schlugen immer größere Flammen. Das Krachen war ohrenbetäubend.
    »Julika!«, rief Rico wieder. Er hatte sich fast bis zu ihr durchgekämpft.
    »Wir müssen Annalena befreien!«, schrie sie.
    »Komm!«, rief Rico. Er schlang den Arm um ihre Taille und zerrte sie mit sich, durch die Menge, umringt von Geschrei und Hilferufen. Hinter den Bullaugen loderten geifernde Flammen.
    »Annalena!«, rief Julika.

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