Gottesdienst
ich mich auf die Suche nach Luke machen.«
Seine Halsschlagader pulsierte. »Erzähl mir einfach, was passiert ist.«
»Tabitha hat die Kirche verlassen. Sie hat bei mir Hilfe gesucht.« Ich schilderte ihm ihre Geschichte, dass ich an ihre Unschuld glaubte und wie die Standhaften das Haus angegriffen hatten. Und dass uns fast die Flucht gelungen wäre. Meine Stimme ließ mich wieder im Stich. »Tabitha hat etwas sehr Mutiges getan, Brian. Sie ist mit ihnen gegangen, obwohl sie das nicht gemusst hätte.«
»Sie wollte Luke beschützen?«
»Ja.«
Er betrachtete den ausgefransten Ärmel seines Gefängnisoveralls. Seine Hand, die er immer noch fest gegen die Tischauflage gepresst hatte, begann zu zucken. »Vielleicht findet sie eine Möglichkeit, mit ihm zu flüchten.«
»Vielleicht.«
Die Stille, die sich danach über uns legte, war wie ein Kommentar zur Erfolgschance dieser Variante.
Ich erzählte ihm vom FBI und dass die Behörden im gesamten Bundesstaat nach den Standhaften fahndeten. »Und was wirst du tun?«, fragte er.
»Ich fahre noch mal raus nach Angel’s Landing. Die Polizei behauptet zwar, dass Gelände sei aufgegeben worden, aber vielleicht finde ich irgendwas, das sie übersehen haben.«
»Geh bloß nicht alleine. Nimm Marc Dupree mit.«
Hinter ihm öffnete sich die Tür. Ein Wärter trat ein und bedeutete Brian, dass die Besuchszeit abgelaufen war.
Brian ballte seine zuckende Hand zur Faust. Er stand auf, aber er wandte sich nicht ab. Langsam beugte er sich ganz nah an die Plexiglasscheibe, damit ich sein Flüstern hören konnte.
»Du hättest die Pistole nehmen sollen, als ich sie dir geben wollte.«
So schnell es ging, ließ ich mit dem Explorer das Gefängnis hinter mir. Die Straße erstreckte sich pfeilgerade vor mir in der Hitze. Ich fühlte mich wie gerädert und versuchte, das überwältigende Gefühl der Mitschuld zu verdrängen, dass ich Luke nicht hatte beschützen können. Aber die Verzweiflung holte mich immer wieder ein. Wo war er? Wie ging es ihm wohl gerade? Bestimmt fühlte er sich schrecklich verlassen und hatte furchtbare Angst.
Und Jesse. Ich stellte mir seine blauen Augen vor, sein verführerisches Grinsen, und wie er mich in die Arme nahm. Jesus. Gott. Barmherziger. Immanenz. Ältester an Tagen. Stille sanfte Stimme im Wind. Bitte pass auf ihn auf. Mea culpa, mea maxima culpa, vergib mir die letzten Worte, die ich zu ihm gesagt habe, und lass ihn noch am Leben sein.
Erst bei einem Blick auf den Tacho fiel mir auf, dass ich mit hundertzehn durch das Stadtgebiet raste. Ich fuhr rechts ran, hielt an und ließ meine Hände vom Lenkrad sinken. Nach einer Minute stellte ich den Motor ab. Der Wind schaukelte den Explorer sanft hin und her und wirbelte Sand auf, der die Berge in der Entfernung schimmern ließ wie Sanddünen in der Sahara. Über mir donnerte eine F/A-18 am Himmel entlang. Ich holte mein Handy heraus und rief bei Marc Dupree an, doch er war nicht zu Hause. Seine Frau sagte, er sei noch auf der Basis, wäre aber bis zum Abendessen zurück.
So lange konnte ich nicht warten, ich musste mich in Angel’s Landing umsehen. Trotzdem hatte Brian recht: Ich sollte nicht allein gehen. Die Erinnerung an Paxton und sein Jagdgewehr lag mir noch schwer im Magen. Ich öffnete das Handschuhfach und suchte darin nach dem Papierfetzen, den mir Garrett Holt, U.S. Navy, stets zu Ihren Diensten, gegeben hatte. Seine Telefonnummer stand darauf.
Wenn er allerdings dachte, dass es sich um unser erstes Date handelte, würde er eine ziemlich unangenehme Überraschung erleben.
Ungefähr eine halbe Stunde später überraschte der Gefängniswärter Brian damit, dass er seine Zelle aufsperrte. »Besuch für Sie, Delaney.« Brian fragte sich, warum seine Schwester so schnell wieder zurückgekommen war.
Aber es war jemand anders. Brian betrat den Besuchsraum und erkannte zwei Menschen hinter der Trennscheibe, eine Frau und einen Mann. Er zögerte. Der Wärter sah ihn fragend an.
Auf der Besucherseite saß Tabitha mit weißen zusammengekniffenen Lippen. Neben ihr, das Gesicht von einer Schirmmütze mit der Aufschrift Ed’s Futter & Munition überschattet, saß Ice Paxton.
Er tippte sich an die Mütze. »N’Abend, Commander.«
22. Kapitel
Garrett Holt traf mich an einer Tankstelle am Rande eines wenig befahrenen Highways südlich von China Lake. Ruhig und selbstsicher kletterte er aus seinem Jeep. Er trug Zivil, eine Jeans und ein Polohemd, und kaute Kaugummi. Seine wachen
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