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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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wurde mir ganz schlecht. Brian ließ die Schultern hängen, seine dunklen Augen hatten jeden Glanz verloren. In der leuchtend orangefarbenen Gefängnismontur wirkte er verhärmt, nur noch wie ein Schatten seiner selbst.
    Er setzte sich und nickte: »Jesse.«
    »Brian.«
    Als er nach meinem Auge fragte, sagte ich ihm, es sei nur ein Wespenstich. »Du solltest dich langsam aus dem Staub machen«, meinte er.
    »Erst wollte ich dich noch sehen.«
    »Wie geht es Luke?«
    Ich versuchte meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten, was mir wohl nicht ganz gelang. »Er macht sich Sorgen um dich.«
    »Ist er in Sicherheit? Auch jetzt?«
    »Er ist bei Abbie und Wally Hankins.«
    »Wann kommen Mom und Dad zurück?«
    »Ich hab sie noch nicht erreicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie sind irgendwo im südchinesischen Meer. Gib mir ein bisschen Zeit.«
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Du kannst nicht in China Lake bleiben.«
    »Sie können bei mir unterschlüpfen, bis eure Eltern zurückkommen«, schlug Jesse vor. »Die Standhaften wissen nicht, wo ich wohne.«
    Sie musterten sich gegenseitig wie zwei Hunde, die gleich anfangen würden zu bellen.
    »Na gut, okay«, sagte Brian.
    »Ich habe einen Strafrechtsanwalt eingeschaltet. Er wird dich später am Nachmittag besuchen.«
    »Jemand aus der Gegend?«
    »Aus Bakersfield«, sagte Jesse. »Jerry Sonnenfeld, ein echter Profi. Er hat fünfzehn Jahre Erfahrung in Fällen mit Kapitalverbrechen.«
    Kapitalverbrechen. Brian rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
    »Er weiß, wovon er redet. Hör auf ihn«, sagte Jesse. »Hast du eine Aussage bei der Polizei gemacht?« Brian schüttelte den Kopf. »Gut. Lass es bleiben.«
    »Sie haben nach meiner Dienstwaffe gefragt«, sagte Brian. »Was ich damit gemacht habe. Aber ich hab gar nichts damit gemacht. Sie lag auf dem Regal in meinem Wandschrank.«
    »Jetzt nicht mehr, da kannst du drauf wetten.«
    Brians Gesicht verriet die Anspannung. »Sie haben die Geschosshülse im Wohnzimmer gefunden, Winchester neun Millimeter, Nato-Ausgabe. Das ist die Munition, die ich benutze. Jemand hat herausgefunden, wie er mich reinlegen kann und mich ganz, ganz tief in die Scheiße geritten.«
    Er war kreidebleich geworden. Es dauerte lange, bis er weitersprechen konnte. »Tabitha weiß, dass ich meine Pistole im Wandschrank aufbewahre. Wenn sie weg ist …«
    Ich hätte ihn ohrfeigen können. Trotz allem hatte Tabitha immer noch Einfluss auf ihn. Aber ich wusste, was er hören wollte. »Ich glaube nicht, dass sie was mit der Ermordung von Pastor Pete zu tun hatte.«
    Das beruhigte ihn – aber es war, als ob man ein Heftpflaster auf eine offene Brustwunde klebte. Ich sprach noch ein wenig länger mit ihm, über das Treffen mit seinem Anwalt und wann er dem Haftrichter vorgeführt werden sollte, dann erklärte ich ihm, dass er nicht auf Kaution freigelassen werden würde. Als er das hörte, erlosch das Licht in seinen Augen wie die Asche am Ende einer Zigarette.
    »Hier drin ist es schlimm«, sagte er. »Ich meine richtig schlimm: Scheiße an den Wänden, halluzinierende Besoffene und bloß nicht in der Dusche bücken. Ich bin hier eingesperrt und die Standhaften sind auf freiem Fuß … Ich muss hier raus, Evan.«
    »Ich arbeite dran.«
    »Ich hab es nicht getan.«
    »Das weiß ich doch.«
    Er forschte in meinen Augen. Da tat ich, was Luke getan hätte: Ich legte mir die Hand aufs Herz und drückte sie dann gegen die Plexischeibe. Kurz darauf presste er seine Hand von der anderen Seite dagegen.
    »Ich hol dich hier raus«, versprach ich.
    Hand drauf.

12. Kapitel
    Bis wir Luke abholen konnten, war es 15 Uhr geworden. Wir nahmen Jesses Wagen, weil der keine fahrende Reklametafel für Obszönitäten war. Im Radio lief Crossroads von Eric Clapton. Ich starrte niedergeschlagen aus dem Fenster. Die unbarmherzige Sonne verstärkte nur noch den ausgebleichten, kargen Eindruck dieser Gegend. Jesse hingegen deutete in Richtung Horizont und sagte: »Was für eine unglaubliche Landschaft. Mein Gott, dort kann man den Mount Whitney sehen, obwohl er hundert Meilen entfernt sein muss. Es ist wunderschön hier, so offen und weit.«
    Ich seufzte.
    »Bist du anderer Meinung?«
    Ich lächelte matt. »Um mich hierher zurückzubringen, mussten sie mich schon in Handschellen legen.«
    Jesse wechselte lieber das Gesprächsthema. »Ich hab dir doch am Telefon von der Familie erzählt, die früher mal zu den Standhaften gehört hatte. Ein Arzt in der Rehaklinik

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