Gottesopfer (epub)
den ausgebauten Speicher. Er bestand aus einem groÃen Raum, ausgelegt mit einem weiÃen Veloursteppich. Ganz hinten stand ein Bett, in der Mitte ein Bistrotisch mit zwei Korbstühlen vor einer kleinen Einbauküche, und vor dem Fenster, das zur StraÃe ging, lagen groÃe bunte Kissen um einen Tisch herum. Sybill setzte sich im Schneidersitz auf eines der groÃen Kissen und beobachtete Sam, der in einem Korbstuhl Platz nahm.
»Ich bin hier wegen des Mordes an deiner Schwester«, sagte er so beiläufig wie möglich, sah sich noch einmal im Zimmer umund dann Sybill direkt in die Augen. Er bemerkte für eine Sekunde ein kurzes Flackern darin, was er nur schwer deuten konnte. Riss er alte Wunden auf, oder war Sybill plötzlich unsicher geworden?
»Hattest du ein gutes Verhältnis zu ihr?«
»Catha war ganz anders als ich. Sie war zwar Künstlerin, aber sie hat nicht um der Kunst willen gemalt, sondern sie wollte Geld damit verdienen. Sie kam eher nach meiner Mutter, die interessiert sich auch nur für Geld. Sie hatte andere Freunde, andere Ansichten, eine andere Denkweise als ich. Umso überraschter war ich, als ihre Sexpraktiken herauskamen.«
Sam hörte aus ihren Worten einen gewissen Groll. Er vermutete, dass Sybill das schwarze Schaf der Familie war.
»WeiÃt du von dem Brief, den deine Mutter bei ihr gefunden hat?«
Wieder zuckte ein Lid unmerklich. »Sie hat so etwas erwähnt, ja.« Sybill setzte sich auf, schob sich zwei Kissen in den Rücken und nahm eine ablehnende Haltung ein, indem sie die Arme vor der Brust verschränkte.
»Und kannst du mir mehr darüber sagen?«
»Warum sollte ich?«
»Vielleicht, weil du selbst an spiritistischen Sitzungen teilnimmst?« Um den heiÃen Brei zu reden hat bei der kleinen Göre keinen Sinn, dachte Sam.
»Das ist doch lächerlich«, antwortete Sybill verächtlich.
Sam atmete tief aus. So ganz überzeugend klang das nicht für ihn. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
»Na ja, ich bin hier, weil ich vermute, dass deine Schwester nichts mit Sadomaso zu tun hatte, sondern von jemandem umgebracht worden ist, der was gegen Leute hat, die spiritistische Sitzungen abhalten.«
Obwohl er sie nicht direkt ansah, sondern zum Fenster guckte, beobachtete er Sybill aus den Augenwinkeln ganz genau. Etwas arbeitete in ihrem Kopf, das konnte er deutlich sehen.
»Damit habe ich nichts zu tun«, sagte sie bockig und standauf, was so viel wie ein Rausschmiss war. Sie stellte sich an die Tür und zeigte auf ihre Uhr. »Ich muss gleich los. Wäre schön, wenn Sie jetzt gehen würden.«
»Kein Problem. Wenn dir noch was einfällt, ruf mich an.«
Er lieà seine Visitenkarte auf dem kleinen Tisch zurück und ging zu Sybill, blieb direkt vor ihr stehen und sah ihr in die Augen. Sie wich nicht zurück, sondern hielt seinem Blick stand.
»Ich kann mir vorstellen, dass man schlecht schläft, wenn man etwas verschweigt, was vielleicht zur Aufklärung eines bestialischen Mordes beiträgt. Noch dazu, wenn es der Mord an der eigenen Schwester ist«, sagte er leise. »Schönen Tag noch.« Sam schloss die Tür hinter sich und stieg vorsichtig die steilen Treppen hinunter.
Als er auf die StraÃe trat, stand van Houten an den Wagen gelehnt und verzehrte gerade genüsslich ein Hotdog.
Sam war nicht ganz zufrieden mit seinem Besuch bei den Kils, aber immerhin gab es einen weiteren Beweis. Der Brief wies auf die Kirche, sogar eine bestimmte Kirche hin und auf einen Vertreter Gottes, der verbotene Dinge tat. Das hieÃ: Pater Dominik war der Schlüssel zu den Fällen. Er holte noch einmal den Brief hervor. Wer hatte ihn geschrieben? Catharina Kil, die ihre Schwester davon abhalten wollte, spiritistischen Sitzungen beizuwohnen? Hatte sie es zum Schutz ihrer Schwester getan und war dafür getötet worden? Aber was wusste eine Künstlerin in Amsterdam von einer katholischen Kirche in Hamburg?
Fest stand, dass er mit Sybill Kil noch nicht fertig war. Sie wusste irgendetwas. Doch es war nur eine Frage der Zeit, dann würde er erfahren, was ihr Geheimnis war. Ein Blick nach oben zeigte ihm, dass sie ihn aus dem oberen Giebelfenster beobachtete, und er war sich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis er einen Anruf von ihr erhalten würde.
1995
Lukas schob den alten, halbseitig gelähmten Mann im Rollstuhl durch den
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