Gott´sacker (Krimi-Edition)
der Frauen-Psychogruppe, denn verstärkt flossen nun meine Gedanken: Früher sind die Weißen in den Busch, haben wie die Berserker herummissioniert, haben ewig gebraucht, um den Schwarzen ihren Voodookram auszureden. Und heute, heute kommen die Missionierten aus dem Busch zu uns, um uns die Religion, die wir ihnen gebracht haben, wieder neu beizubringen. Weil kein 16-jähriger Disko-Trottel mehr weiß, was eine Monstranz ist und keine 16-jährige Ich-fühl-mich-wie-eine-Popstar-Schlampe mehr weiß, was Kommunion bedeutet. Die halten das für ein Medikament. So weit ist es gekommen. Gott sei Dank gibt es Kerle wie Deodonatus Ngumbu, die kein Risiko scheuen, im Dschungel des undifferenzierten Atheismus den Kampf gegen die Gottlosen anzutreten. Deshalb hat der MIKEBOSS -Stammtisch ihm auch die NSU Quickly geschenkt – um nun mobil an allen Stellen des aufflackernden Atheismus schnellstmöglich missionarisch tätig sein zu können.
Das war immer so, die Gedanken taten, was sie wollten, und so war ich ganz froh, als unerwartet Herr Kalner, der Alt-Mesner, durch die Sakristei in die Kirche stapfte und meine Gedanken unterbrach. Vorgestern zum Sonntagsgottesdienst hatte er sich kein einziges Mal blicken lassen. Er verbeugte sich kurz vor dem Altar, ging zum Seitenaltar und zündete dort die Kerzen an. Wahrscheinlich war er gedanklich schon bei Weihnachten. Er kam wieder zurück, verbeugte sich im Mittelgang wieder kurz zum Altar hin und verschwand in der Sakristei. Immer wieder brauchte er solche Auftritte, er wollte noch nicht zum alten Eisen gehören.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ein weiteres liturgisches Highlight: Deodonatus spendete den Schlusssegen durch die rebellierenden Lautsprecher: »In Namä von Vatte, Sohn und die heilige Geistaa.«
Das darauf folgende, unerwartet aktuelle Schlusswort von Deodonatus Ngumbu kam mir länger vor als seine Predigt. Einige, die schon zur Kirche hinaus wollten, hielten noch einmal kurz inne: »Lieba Gemeinde, war schrecklicha Woche für Doaf. War de Tod von lieba Frau Maagot Krama in da Kapelle von da Wendelinus. Lieba Frau Maagot hatta meina Vorgänga gedient. Wenn wieda zurückkommt von Obduktion von Tübingen, dann richtige Beädigung mit Kirchakor … Dann war auch noch da tote Hund ina Garten vona Gemeindemitglied. Für Gemeinde ista des alles seah schlimm, es ist wischtig zusammahalte und bruderlisch Solidarität. Einanda Unterschtützung in da schwära Zeit, wischtisch, aba schlechta wenn falsche reda, wenn zu schnell Urteil üba andera fälla.« Er hatte recht, unser Pfarrer!
Die Leute zog es nun förmlich zur Kirche hinaus, die Ministranten waren schon zur Sakristei geeilt, als der schwarze Pfarrer noch einmal anhob: »Unsere lieba Herr Maiser Philipp spielta uns noch für Gemeinde und de Frieda in Gemeinde noch eina Bachkorall. Scheene Tag noch.«
Ich schaute kurz zu Frieda, sie war aus ihrer schläfrig-meditativen Stimmung hochgeschreckt, als sie ihren Namen hörte, hatte Deodonatus jedoch sofort richtig interpretiert. Sie wusste, dass ihr kein Abschlussständchen gespielt wurde, und rutschte wieder in eine bequemere Sitzposition. Alle warteten auf Philipps erbärmliche Intonation des angekündigten Bachchorals. Außer warmer Stille war jedoch nichts zu hören. Meiner Aufgabe als Mesner bewusst, schritt ich zur Orgelempore die Treppen hinauf.
Philipps Platz war leer.
Von der Kirche wie fast von jedem Ort des Dorfes hatte ich nur knappe fünf Minuten nach Hause. Bei Nachbar Müller erwartete mich die nächste Überraschung. Ich wähnte den Frührentner bei einer unnötigen abendlichen Gartenarbeit zu selbsttherapeutischem Zwecke. Die nachbarliche Situation stellte sich jedoch gänzlich anders dar.
Während des Gedenkgottesdienstes für seine Nachbarin Margot war bei Herrn Müller ein Steinmetz mit seinem Kleinlaster angereist und hievte gerade mit einem Kleinkran einen Großstein mit Inschrift in Müllers Garten.
Ich warte seit vier Monaten auf eine Ersatzstufe an meiner Treppe und der bekommt seinen albernen Köter-Gedenk-Brocken noch nach Feierabend!
Der runde Aufkleber ›Schäferhundverein e. V.‹ am Kleinlaster erklärte alles. Müller selbst stand breitbeinig und zufrieden in einem kleidsamen blauen Arbeitsanzug auf seinem Rasen und betrachtete die Arbeit. In seinen Armen hielt er einen winzigen Schäferhund, der ihm eifrig das Gesicht leckte.
Wo kann man so schnell Schäferhunde kaufen? Kauft man Hunde – als beste Freunde des
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