Gott´sacker (Krimi-Edition)
Ngumbu in den engen Holzbänken. Ebenfalls anwesend war die Polizei, Hauptkommissar Härmle saß unauffällig in der letzten Reihe neben seiner blonden Komplizin, die heute das kleine Schwarze trug. Ich zwinkerte ihr, als ihr neugieriger Blick mich festhielt, aus meiner privilegierten und übersichtlichen Sitzposition rasch zu. Sie schaute mich mit kurzem Erstaunen an, richtete ihren Blick auf meine Stiefel aus Reptilienleder und tippte sich dann dreimal ganz kurz und unauffällig mit ihrem rechten Zeigefinger an die Stirn.
Dumme Bullenkuh.
Ansonsten war heute alles in der Kirche, was Rang und Namen in der Gemeinde hatte. Nur der alte Pfarrer fehlte. Vielleicht ging es ihm zu nahe, dass sein jahrzehntelanger keifender Schatten nun dort war, wo er immer hingepredigt hatte.
Da schau ich nach dem Gottesdienst geschwind vorbei – der Alte mit seinem schwachen Herz … von der vielen Sauferei … nur den besten Messwein, Bodensee-Qualität … nicht dass der noch unterm Tisch liegt.
Dieser Gottesdienst war für mich Pflicht. Nicht weil ich die alte Margot Kramer mochte, war ich heute hier, sie war die einfältigste alte bigotte Kuh, die ich je kennengelernt hatte und die sich in alles einmischte, was sie nichts anging. Auch die Neugierde war nicht Motivation meiner gedenkgottesdienstlichen Anwesenheit. Es war der Dienst im Namen des Herrn.
Der Gemeinde-Mesner Herr Kalner war zwar körperlich noch fit, wurde aber in den letzten Jahren seines Amtes immer verschrobener und konnte sich mit seinen 69 Jahren kaum mehr etwas merken. Und so war ich vor sechs Monaten, als der Aushilfspfarrer mich bat, zum Job des Ersatzmesners gekommen, und das auch noch für ein gutes Taschengeld. Die Katholische hat immer noch genug Kohle.
Die eigenartige Stimmung im heißen Gotteshaus machte mich schläfrig und so schwelgte ich bald in Erinnerungen an den gestrigen zweiten Teil des Sonntagmorgens. Cäci war nach einem Schlückchen Sekt recht locker geworden und hatte gemeint, ich könne ja ›Susi‹ löschen und einen Ordner ›Cäci‹ anlegen. Das waren keine schlechten Aussichten.
Einer der liturgischen Höhepunkte des Trauergottesdienstes, das Vaterunser, wurde mal wieder zum Ereignis, das Mikrofon am Ambo verrichtete seinen Dienst unzulänglich und gab bei jedem gesprochenen Vokal ein nervenzersetzendes, hochfrequentes Pfeifen an die miserablen Lautsprecher weiter.
»Vatta, der du bist in Himmäl …«
Ich mag ihn sehr, unseren freundlichen Pfarrer aus Kenia, manchmal kommt er sogar zum MIKEBOSS -Stammtisch in den Bohnenstengel. Butzi hatte ihm eine 1,7 PS starke NSU Quickly S , Baujahr 1957 in perlgrau und jadegrün als Missionsfahrzeug hergerichtet, mit der er nun im Namen des Herrn unterwegs war.
Da stand er vorn im Altarraum und füllte ihn mit einer unglaublichen Präsenz aus. Er war schon ein ganz besonderer Mensch, unser neuer Pfarrer Deodonatus, der von Gott geschenkte, der jahrelang in den Slums von Nairobi seine seelsorgerische Tätigkeit verrichtet hatte. Taufen ließ er sich mit 15 Jahren, gegen den Willen seines mächtigen Vaters. Wie ein Musterathlet stand er mit seinen breiten Schultern und seiner kräftigen Gestalt im Altarraum. Seine Hautfarbe war von tiefem Schwarz, die kurzen schwarzen Locken lagen eng an seinem ovalen Kopf. Die Lippen standen voll unter seiner langen und geraden Nase. Für den heutigen Gottesdienst trug er das passende Messgewand, ansonsten war er nie ohne seine Soutane mit den 33 Knöpfen, die dem Alter Jesu entsprachen, zu sehen. Mit seinem freundlichen und humorvollen Charakter war er schnell zu einer beliebten Persönlichkeit geworden. Er schien immer bester Laune zu sein und hatte für jeden in der Gemeinde, ob katholisch, evangelisch, atheistisch oder zu der einzigen muslimischen Familie des Ortes zugehörig, ein offenes Ohr. Obwohl sein Einstand in die kleine oberschwäbische Gemeinde nicht ganz leicht war – von den Jungbauern hatte er sofort den Spitznamen ›Buschpfarrer‹ bekommen – gewann er durch seine sympathische und menschenfreundliche Art bald die Herzen der Einwohner Riedhagens. Neben seiner Stammgemeinde, in deren Pfarrhaus er wohnte, betreute er noch drei Nachbargemeinden.
Der Anblick des tiefschwarzen Geistlichen und die Entwicklung der Dinge an und für sich in unserem Dorf brachten mich wieder einmal in eine sentimental-philosophische Sakral-Stimmung, vielleicht war der unbewusste Auslöser auch das meditative Orgelspiel des Dorfhippies Philipp aus
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