Gott´sacker (Krimi-Edition)
Menschen – überhaupt? In welchen Läden kauft man Hunde? Ich habe in einer Zoohandlung noch nie Regale mit Hunden gesehen. Kinder kauft man ja auch nicht in Läden, die sind ja mitunter auch Freunde des Menschen, die bekommt man. Hat Müller einen Hund bekommen?
»Wollen Sie ihn auch mal halten? Der beißt nicht. Eins-a-Zucht«, lachte Müller sein sympathisches Frührentner-Lachen und hielt mir das Tierchen hin. »Na, wie finden Sie den Stein?«
»Was steht denn da drauf?«
»Sie haben doch studiert und können lesen?«
Müllers WalderBräu-naturtrüb-hell-Wampe hüpfte im Takt seines Lachens.
Der am Kran pendelnde Stein senkte sich in die vorgesehene Mulde, zwei türkische Arbeiter, Vater und Sohn Özgül, die der einzigen muslimischen Familie im Dorf angehörten und im einzigen dreistöckigen Hochhaus wohnten, drückten ihn unter Stöhnen und Genörgel mit Stangen und Pickel in die richtige Position:
Waldemar 2001 bis 2008
Des Menschen bester Freund
vom Menschen hingemeuchelt
doch jenseits kommt die Stund
da sehen wir uns wieder
Unter die bedeutungsschwangere Inschrift waren noch zwei Löcher in den chinesischen Sandstein gebohrt.
Als ob Müller meine Frage geahnt hätte, sagte er stolz: »Da kommt noch ein Messingtäfelchen mit seinem Bild hin.«
»Kommen denn Hunde überhaupt in den Himmel?«
Entsetzt schaute mich mein Nachbar an.
»Aber Herr Bönle, Sie haben doch Theologie studiert. Das müssen Sie doch wissen, der Herr liebt alle Geschöpfe, und der Noah hatte alle in seinem Boot.«
Ich wollte den verunsicherten Müller mit seiner Grundschultheologie nicht enttäuschen – außerdem war ich mir nicht mehr sicher, ob in Noahs Arche auch ein deutscher Schäferhund war – und nickte: »Ja, stimmt schon, der Noah. Was ist denn übrigens mit dem schönen Vesper hier?«, fragte ich hungrig.
Auf einem großen Brett lagen leckerer Hinterschinken vom Schwein, eine Leberwurst, daneben eine harte Schwarzwurst. Zwei ungeöffnete Flaschen Bier ruhten daneben.
»Oh, die können Sie gern haben. Die Türken sind wohl was Besseres gewöhnt.«
Abfällig nickte er zu den schwitzenden Özgüls.
Ich enthielt mich jeglichen Kommentars im Hinblick auf eine ungestörte Nachbarschaft.
»Hallo, ihr Süßen«, rief es nervend von der Straße her.
Oh nein, nicht schon wieder Hildegard.
»Aaaah, das wird ja toll. Das ist bestimmt für Waldemar. Der würde sich sicher freuen, wenn er das sehen könnte«, bemerkte sie mit schrägem Haupt, um die Inschrift zu entziffern.
Dumme Kuh, wenn er sich freuen würde, würde er noch leben, wenn er noch leben würde, bekäme er kein Denkmal, wenn er kein Denkmal hätte, über das er sich freuen könnte, würde er sich nicht freuen. Außerdem können Hunde nicht lesen!
Nachdem sie unaufgefordert in den Garten meines Nachbarn stolziert war, bemerkte sie den winzigen Köter mit seinen großen Kuschelaugen auf meinem Arm.
»Gott, ist der süüüß! Darf ich mal? Als meine Lamas noch klein waren, hatten sie auch so ein Stupsnäschen.«
Sie fuhr unaufgefordert mit dem Daumen über die Nase des Hundes und rubbelte kräftig daran.
Für den kleinen deutschen Schäferhund auf meinem Arm schien die Verzückung und Entrückung der einfältigen Hildegard zu viel zu sein. Ich spürte warme Nässe am Unterarm. Entsetzt drückte ich das verdutzte Jungtier Hildegard an die knackige Brust, die die Inkontinenz des verwirrten deutschen Schäferbabys zu spät bemerkte und es auf Müllers Rasen plumpsen ließ. Und schon war es in Richtung der hohen Tannen durch die Hecken auf das Grundstück des Alt-Pfarrers verschwunden. In diesem Augenblick fiel mir wieder ein, dass ich mir sowieso vorgenommen hatte, nach dem Alt-Pfarrer zu schauen, da er beim Gedenkgottesdienst gefehlt hatte. Aber seit unser neuer Pfarrer das Sagen in der Kirche hatte, war der Alt-Pfarrer nicht mehr in der Kirche gesehen worden. Er hatte sich mehr und mehr aus dem Dorfleben zurückgezogen.
Ich rannte dem Hund hinterher. Hildegard rannte mir hinterher. Müller lachte und vergrub die Hände in den Taschen seines attraktiven Arbeitsanzuges in blau.
»Sie wissen ja, wie der Alte Hunde liebt, der holt sein Luftgewehr. Bringen Sie ihn mir ja heil wieder!«
Nicht nur einmal hatte der alte Pfarrer seinem Nachbarn Müller die Hundescheiße von seinem Grundstück auf die Haustreppe gelegt.
Als ich durch die Hecken stürmte, sah ich gerade noch, wie der deutsche Mini-Schäferhund zur offenen Verandatür des
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